Ana Veloso
eine
unausstehliche Sinhazinha bist.«
»Pedro, wie konntest du nur!«
»Bitte, Vita, ich hatte keine andere Wahl. Aaron
ist derartig in Liebe zu dir entbrannt, dass er mich förmlich verfolgt und
keine Ruhe gibt, bis er mir wieder irgendeine Anekdote abgerungen hat.«
»Der Arme.«
»Ja, der Arme. Ich kann mir gut vorstellen, dass
du seine Liebe nicht erwiderst. Du findest ja mehr Gefallen an Männern vom
Schlage eines Edmundo Leite Corrêia oder eines Rogério Vieira de Souto. Reichen
Fazendeiros mit gutem, katholischem Stammbaum.«
»Und wenn schon?« Vitória ließ ihn gern in dem
Glauben. Sie war vor allem erleichtert, dass Pedro von ihren wahren Gefühlen
nichts ahnte. »Aber erzähl mir doch lieber von deiner Joana. Werden wir sie
kennen lernen?«
»Ja, ich habe für morgen Abend Theaterkarten
besorgt. Joana wird uns begleiten, dann kannst du sie ausgiebig begutachten.
Ah, da fällt mir ein, ich habe ja eine Fotografie von ihr.« Pedro ging in das
Arbeitszimmer, das neben dem Salon lag, und kam mit einem kleinen Bilderrahmen
zurück. »Das ist sie.«
Vitória staunte. Sie hatte sich eine mondänere
Frau vorgestellt, und eine schönere.
Dass ihr Bruder sich eine so langweilige Braut
suchen würde, hätte sie nicht erwartet.
»Sie wirkt sehr ... gebildet.«
»Ach, Vita, du bist köstlich! Ich sehe dir an,
was du denkst. Aber warte nur ab, bis du sie kennen lernst. Ich glaube, sie
wird dir gefallen. Sie ist nämlich tatsächlich sehr gebildet, und sie hat Witz.
Außerdem sieht sie hinreißend aus, wenn sie lacht. Auf diesem Bild ist sie sehr
schlecht getroffen.«
Die nächste Stunde verging rasend schnell. Vitória
und Pedro tauschten sämtliche Neuigkeiten über gemeinsame Bekannte und Freunde
aus, bis Dona Alma zu ihnen stieß und sie zu dritt den nächsten Tag planten.
Vitória und ihre Mutter begannen mit einem
Bummel durch die Rua do Ouvidor. Pedro musste arbeiten und würde sie zum
Mittagessen im Hotel de France treffen. Aber sie vermissten ihn nicht – beim
Einkaufen war männliche Gesellschaft meistens eher störend. Dona Alma war in
selten ausgelassener Laune, und sie genoss das Stöbern in den eleganten Geschäften
ebenso wie Vitória. »Mamãe, sehen Sie nur! Ist das nicht ein großartiger Hut?
Und wie gut er zu meinem roten Kleid passen würde! Was denken Sie?« Vitória
setzte das fantasievolle Gebilde schräg auf ihren Kopf und drehte sich damit
vor dem Spiegel.
»Er steht dir ausgezeichnet.« Dona Alma wandte
sich zur Verkäuferin. »Wir nehmen den Hut.«
Sich selber gönnte sie zwei extravagante Kämme,
die mit Schmetterlingen aus funkelnden Glasperlen verziert waren. Vitória ließ
sich ihr Erstaunen nicht anmerken. Was war plötzlich in ihre Mutter gefahren?
Sie zogen weiter, von der Rua do Ouvidor zum
Largo do Pa9o, zur Rua da Misericórdia, zum Largo da Carioca, durch sündhaft
teure Einkaufsstraßen und verschmutzte Gassen, vorbei an unerwartet stillen Plätzen
und am ohrenbetäubenden Geschrei schwarzer Händler in den Geschäftsstraßen. Sie
kauften Zigarren, Manschettenknöpfe und einen ausgefallenen Schirm mit
Silberknauf für Senhor Eduardo, eine Kristallkaraffe mit passenden Sherrygläsern
für Pedro, einen Tabakbeutel und eine Pfeife für Luiza, einen Spitzenkragen für
Miranda und ein Kissen für José.
Vitória hätte noch stundenlang weiterlaufen mögen,
aber Dona Alma brauchte eine Pause. Also setzten sie sich in die Confeitaria »Hernandes«, bestellten Eclairs und Tee und unterhielten sich wie die
besten Freundinnen über die Eindrücke, die sie unterwegs gesammelt hatten. Die
Hochstimmung ihrer Mutter führte nicht nur dazu, dass sie permanent über
irgendwelche albernen Beobachtungen kichern mussten, sondern auch zum Bestellen
von Likör. Es war halb zwölf.
»Mamãe, was ist mit Ihnen? Sie kommen mir ganz
verändert vor.«
»Was soll schon sein, Kind? Ich amüsiere mich.«
Sie tranken den Likör aus und verließen leicht
beschwipst das Café. Draußen schlug ihnen die glühende Sonne entgegen.
»Ich fürchte, dass ich weder die Kraft noch den
Appetit habe, mit dir und Pedro zu Mittag zu essen. Ich nehme eine Droschke
nach Hause, setze dich bei Pedros Geschäft ab, und du gehst mit ihm allein
essen. Anschließend kommst du ebenfalls heim. Du willst sicher auch ein Schläfchen
halten, damit du heute Abend frisch und munter bist.«
»Ja, Mãe, aber ich werde Ihre Gesellschaft
vermissen. Unser Streifzug hat wirklich Spaß gemacht.«
»Wir können das ja
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