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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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gefallen.«
    Mittlerweile war Vitórias Haar glänzend und
geschmeidig. Maria do Céu hob die schwere Pracht und ließ die Strähnen langsam
durch ihre Finger gleiten.
    »Wie möchten Sie Ihr Haar heute Abend tragen?«
    »Wenn du es dir zutraust, dann steck sie mir
doch zu einem ganz extravaganten Knoten auf. Ich will die mit Abstand
ausgefallenste Frisur in ganz Rio haben. Es muss natürlich zu dem Hut passen.«
    Das Mädchen dachte kurz nach, dann teilte sie
Vitórias Haar kurz oberhalb des Nackens in zahllose Strähnen, von denen sie die
Hälfte flocht. Maria do Céu erklärte ihr Vorhaben mit keiner Silbe. Nachdem sie
eine Lockenschere geholt hatte, drehte sie die übrigen Strähnen zu großen
Korkenzieherlocken auf. Vitória betrachtete sich im Spiegel und fand, dass sie
furchtbar aussah. Aber sie wollte abwarten, was Maria do Céu sich ausgedacht
hatte – das Mädchen war schließlich pfiffig und kannte sich anscheinend mit der
Mode in Rio aus. Vitória schloss die Augen und ließ sich das Gepiekse und
Geziepe auf ihrem Kopf gefallen. Ihre Gedanken kreisten um all das, was Maria
do Céu ihr erzählt hatte, insbesondere um die viúva-negra, die »Schwarze
Witwe«. Es musste sich um dieselbe Frau handeln, die Vitória bei Leóns Auftritt
in Conservatória gesehen hatte. Also war Vitórias erster Eindruck gar nicht so
falsch gewesen – sie schien mehr zu sein als irgendeine Mitstreiterin für die
Abschaffung der Sklaverei. War sie Leóns Mätresse? Oder gar seine Verlobte?
Aber wie hatte er dann die Unverfrorenheit besitzen können, ihr, Vitória, den
Hof zu machen? Oder hatte sie sich das nur eingebildet?
    »So, fertig.« Maria do Céu riss sie aus ihren
Gedanken.
    Vitória öffnete die Augen und staunte. Maria do
Céu hielt einen weiteren Spiegel, sodass Vitória sich von allen Seiten
bewundern konnte. Das Resultat war verblüffend. Das Mädchen hatte die
geflochtenen Zöpfe zu einem riesigen Knoten am Hinterkopf gedreht, aus dem
einzelne gelockte Strähnen hervorlugten. Die Frisur war verspielt, ohne
kindisch zu wirken. Sie war klassisch elegant und dennoch nicht streng. Die
Lockensträhnen, die Vitórias Gesicht einrahmten, verliehen ihr einen sanften
Ausdruck.
    »Du kannst zaubern, Maria do Céu! Komm, hol
schnell den Hut, damit ich sehen kann, wie er sich auf diesem Kunstwerk macht.«
Er sah sensationell aus. Sie rückte ihn unentschieden mal nach rechts, mal nach
links, bis sie ihn wieder abnahm.
    »Bringen wir erst einmal den unangenehmeren Teil
der Prozedur hinter uns. Und bitte so fest du kannst. Ich will nämlich auch die
mit Abstand schlankste Taille in ganz Rio haben.«
    Maria do Céu schnürte das Korsett so eng, dass
Vitória kaum noch Luft bekam. Dann half sie ihr in den Unterrock und schließlich
in das kirschrote Seidenkleid.
    »Sie sehen hinreißend aus, Sinhá. Alle Männer
werden sich augenblicklich in Sie verlieben.«
    »Himmel, bloß das nicht! Es würde mir reichen,
wenn es einer täte.«
    »Ach ...«
    »Nichts > ach < , ich habe nur so dahergeredet.«
    Vitória tupfte ein wenig Puder aufs Gesicht. Auf
andere Kosmetika verzichtete sie: Das Kleid war Farbe genug. Würde sie dazu
noch Lippenrot auftragen, bestünde die Gefahr, dass sie ordinär aussähe. Schließlich
setzte sie den Hut auf, steckte ihn mit zwei Klemmen fest und kontrollierte
ihre Erscheinung ein letztes Mal im Spiegel. Sie war sehr zufrieden mit dem
Ergebnis.
    Vitória rauschte die Treppe hinunter und freute
sich auf die Gesichter ihrer Mutter und ihres Bruders, wenn sie sie in diesem
Aufzug sehen würden. Doch als Vitória unten ankam, war sie diejenige, die große
Augen machte. Dona Alma war nicht wiederzuerkennen. Ihr Haar war mit den beiden
neuen Kämmchen zu einem eleganten, weichen Knoten hochgesteckt. Die blau und
gold schimmernden Perlen der Kämme harmonierten perfekt mit ihrem taubenblauen
Seidenkleid mit den Goldlitzen. Dona Alma hatte sogar ein wenig Lippenpomade
und Wangenrot aufgetragen. Um den Hals trug sie eine dezente goldene Kette. Die
Veränderung war unglaublich. Die vorzeitig gealterte, stets ein wenig
verbittert aussehende Senhora war zu einer Frau aufgeblüht, die so verführerisch
wirkte, dass sie auch als lebensfrohe, aber durchaus vornehme Pariserin
durchgegangen wäre.
    »Mãe, Sie sehen fantastisch aus!«
    »Und du erst, Vita! Ich finde allerdings, dass
etwas fehlt. Maura«, wandte sie sich an die Sklavin, die etwas abseits stand, »hol
doch mal meine Rubine von oben.«
    Als Maura mit dem Schmuck

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