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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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verkniff sich jede Widerrede.
    »Wie gut«, rettete Vitória die Situation, »dann
können Sie sich ja um die beiden einsamen Herren kümmern, Mamãe.«
    »Mit Vergnügen«, zwitscherte Dona Alma und
meinte es auch.
    Im Foyer des Theaters herrschte aufgeregtes Gedränge.
Vitória fragte sich, wie es den Kellnern gelang, ihre Tabletts mit Champagnergläsern
durch die Menge zu balancieren, ohne dass auch nur ein Tropfen überschwappte.
Von dem dichten Zigarrenqualm brannten ihre Augen. Vater und Sohn de Barros
waren noch nicht aufgetaucht, und in wenigen Minuten würde der Gong erklingen,
der sie zum Aufsuchen ihrer Plätze aufforderte. Der Geräuschpegel war so hoch,
dass Vitória und Joana die Köpfe ganz dicht zusammenstecken mussten, um sich zu
verstehen. Auf unbeteiligte Betrachter mussten sie wirken wie zwei alte
Freundinnen, die sich Geheimnisse anvertrauten. Pedro unterhielt sich derweil
mit seiner Mutter, die von der Hitze, vom Champagner oder von der Aufregung
einen ganz roten Kopf bekommen hatte. Vitória wunderte sich darüber, ihre
Mutter hatte nie, nicht einmal im Hochsommer oder nach größerer körperlicher
Anstrengung, eine andere Gesichtsfarbe als ihre kränkliche Blässe. Dona Almas
Blick war starr auf einen Punkt gerichtet, der irgendwo hinter ihrer kleinen
Gruppe lag. Vitória drehte sich um und sah, wen ihre Mutter fixierte. Es war
der ältere Herr an João Henriques Seite, der ebenfalls mit weit aufgerissenen
Augen zu Dona Alma hinsah.
    Die beiden Männer kämpften sich durch die Menge.
    »Dona Alma, meine Liebe, Sie sehen fabelhaft
aus. Mein Gott, wie lange ist das her, zwanzig Jahre? Sie sind um keinen Tag
gealtert.« Er umarmte sie und gab ihr zwei Küsschen auf die Wangen. »Fast fünfundzwanzig
Jahre, Senhor Manuel. Ist das nicht unglaublich? Sie sehen aber auch noch
genauso aus wie früher.«
    »Tja, anscheinend müssen wir die zwei nicht mehr
miteinander bekannt machen«, sagte João Henrique zu Pedro. Joana begrüßte er
nur mit einem angedeuteten Kopfnicken, dann wandte er sich Vitória zu.
    »Seien Sie gegrüßt, schöne Senhorita. Welch
Glanz in unserer bescheidenen Stadt! Sie sehen großartig aus, und, wenn ich mir
die Bemerkung erlauben darf, die Überraschung steht Ihnen ausgezeichnet. Sie
wussten offenbar auch nicht, dass sich unsere Eltern so gut kennen?«
    »Nein, das war mir neu. Allerdings kenne ich
selber Ihren verehrten Herrn Vater noch nicht. Vielleicht würden Sie uns
einander vorstellen?«
    Manuel de Barros, ein großer, sehr attraktiver
Mann in den Fünfzigern, gab Vitória einen formvollendeten Handkuss.
    »Ganz die schöne Maman«, sagte er in
affektiertem Tonfall. Weiter kam er glücklicherweise nicht, denn in diesem
Moment ertönte der Gong. Vom Strom der in den Saal eilenden Menschen wurden sie
vorangetragen. Erst an der Treppe, die zu ihrer Loge hinaufführte, ließ das
Geschiebe nach. Sie begaben sich auf ihre Plätze und beobachteten das Treiben
im Parkett. Vitória mühte sich mit dem Champagnerkelch in der Hand damit ab,
Programmheft, Opernglas und Abendtäschchen auf ihrem Schoß zu arrangieren.
Immerhin musste sie nicht, anders als die Leute im Parkett, ständig aufstehen,
um andere Zuschauer auf dem Weg zu ihren Plätzen in der Mitte der Reihe
durchzulassen.
    »Sieh nur, da unten ist auch Júlio«, raunte
Pedro seinem Freund zu.
    »Mein Gott, und wie immer in unmöglicher
Garderobe. Seine Kritik an der Kleiderordnung ist genauso fadenscheinig wie
sein Anzug. In Wahrheit hat er wahrscheinlich nur nichts Besseres zum Anziehen«,
sagte João Henrique.
    Vitória, die heute Abend aus Eitelkeit auf ihre
Brille verzichtet hatte, konnte den Mann, um den es ging, nur undeutlich
erkennen. Sie nahm das Opernglas und betrachtete ihn genauer. Ja, wirklich,
seine Kleidung war hart an der Grenze zum Zulässigen. Aber er war nicht der
Einzige. Vitória erspähte noch andere Leute, die sich nicht die Mühe gemacht
hatten, sich dem Anlass entsprechend herauszuputzen, und die in Straßenkleidung
hierher gekommen waren.
    »Ist das jetzt so üblich in Rio«, fragte sie, »dass
man in Sack und Asche ins Theater geht?«
    »Bei manchen Leuten ist es reiner Snobismus«,
antwortete João Henrique, »sie wollen damit zeigen, wie alltäglich der Besuch
kultureller Veranstaltungen für sie ist. Bei anderen, wie Júlio, handelt es
sich angeblich um eine politische Aussage, nach dem Motto: Ein Theater muss
allen Bevölkerungsschichten zugänglich sein, auch jenen, die sich keine

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