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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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neben ihr und hielt
ihr die verschränkten Hände als Steigbügel hin.
    »Was zögerst du, Sinhazinha? Dein Sklave in
allen Lebenslagen ...«
    Vitória war nicht nach solchen Späßen zumute,
nicht jetzt, da das Gewitter immer näher kam und sie sich zu fürchten begann.
Als es blitzte, zuckte sie zusammen. Für den Bruchteil einer Sekunde war alles
in ein gespenstisch weißes Licht getaucht, und Leóns Gesicht wirkte wie das
eines Geistes. Sie hatten keine Zeit mit Diskussionen zu verlieren. Sie stieg
auf seine Hände.
    Als sie sicher im Sattel saß, klopfte León seine
staubigen Handflächen an seiner Hose ab und schwang sich auf sein Pferd. Sie
schlugen die Richtung ein, aus der sie gekommen waren. Boavista lag einen
zwanzigminütigen Ritt entfernt. Doch wieder blitzte es, wenige Sekunden später
krachte ein Donner, der die Luft zu zerreißen schien. Vitórias Pferd bäumte
sich auf, es war kaum noch zu zügeln. León überholte sie und gab ihr per
Handzeichen zu verstehen, ihm zu folgen. Er bog in einen kleinen Feldweg ein,
der zu einer verfallenen Hütte führte. Vitória wunderte sich, dass León diese Hütte
zu kennen schien. Sie selber hatte dort als Kind oft mit Pedro gespielt und war
ohnehin mit jedem Fußbreit ihrer Ländereien vertraut, aber woher León sich so
gut auskannte, war ihr schleierhaft.
    Sie erreichten die Hütte, kurz nachdem der Regen
eingesetzt hatte. Vitória war schon lange nicht mehr hier gewesen, sie hatte
den Ort größer und schöner in Erinnerung gehabt. In Wahrheit handelte es sich
um nicht mehr als einen Unterstand, einen primitiven Verschlag, dessen vier Wände
aus groben Holzbrettern zusammengenagelt waren und der ein Dach aus Palmblättern
hatte, die einem solchen Sturm kaum standzuhalten vermochten. Es gab keine
Fenster, und in der Türöffnung erinnerten mir noch zwei rostige Scharniere
daran, dass es einmal eine Tür gegeben hatte. Die Pferde gebärdeten sich wie
verrückt und ließen sich nirgends festbinden, sodass León beschloss, sie mit
hineinzunehmen. Inzwischen kam das Wasser nicht mehr tropfenweise, sondern in
einem einzigen Schwall vom Himmel. León redete den Pferden gut zu, während er
eine Decke aus seiner Satteltasche zog und sie Vitória zuwarf. Sie fing sie auf
und sah sie ratlos an. Was sollte sie mit einer Decke? Es war unerträglich schwül,
die regendurchnässte Kleidung verschaffte ihr immerhin ein wenig an Kühlung.
    »Leg sie auf den Boden«, sagte León. »Oder
willst du hier stehend abwarten, dass das Unwetter vorüberzieht?«
    Trotz ihrer Angst – sie kannte die tödliche
Gewalt von Tropengewittern – fand Vitória zu ihrer gewohnten Tatkraft zurück.
Mit den Füßen schob sie das wenige Heu zusammen, das auf dem festgestampften
Lehmboden lag, und breitete darüber die Decke aus. Sie setzte sich auf das
Lager, den Rücken an die Holzwand gelehnt, die Knie eng herangezogen, und
beobachtete León, der sein schweißnasses Hemd ausgezogen hatte, um damit die
Pferde abzureiben.
    »Ich hielt dich immer für einen Haussklaven.
Aber anscheinend bist du nur ein Pferdeknecht, dem das Wohl der Tiere mehr am
Herzen liegt als das einer Dame.«
    León lachte. »Du solltest dich sehen,
Sinhazinha. Du kauerst dort wie ein verängstigtes Lumpenkind, und mit deiner
dicken Wange siehst du aus, als hättest du Prügel bezogen. Wie eine Dame wirkst
du nicht gerade. Aber solange du noch redest wie eine, muss ich mir wohl keine
Sorgen um dich machen.« Er zog eine Flasche aus der Satteltasche und kam damit
zu ihr. Mit etwas weicherer Stimme sagte er: »Ich habe etwas, was deine Angst
vertreibt.« Er ließ sich neben ihr auf der Decke nieder, wischte sich die
nassen Haare aus dem Gesicht, ließ den Kopf in den Nacken fallen, richtete den
Blick zum Palmdach und atmete tief durch. Dann drehte er das Gesicht zu ihr
hin. Auch sie hatte ihm ihr Gesicht zugewandt. Er öffnete die Flasche und gab
sie ihr. Vitória nahm sie, roch daran und verzog das Gesicht. »Whiskey!«
    »Ja. Nimm einen großen Schluck.«
    Sie zögerte kurz, setzte dann die Flasche an und
trank in schnellen Zügen mehrere Schlucke. Sie zog scharf die Luft ein. »Himmel,
wie das brennt!«
    Sie gab ihm die Flasche zurück, aus der er nun
ebenfalls ein paar tiefe Schlucke nahm. Wieder sahen sie einander an, dann
lachten sie. Die Situation war zu lächerlich. Mitten in einem schweren
Gewittersturm saßen sie, derangiert und durchnässt, in einer Hütte und tranken
Whiskey direkt aus der Flasche. Vitória konnte gar

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