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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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unter dem Tisch streicheln? Warum war sie zu heimlichen Treffen
    gezwungen, und warum konnte ihr León nicht
einfach offiziell den Hof machen? Niemand hätte ihren Tanz obszön gefunden,
wenn León ihr Verlobter wäre. Ja, er sollte bei ihren Eltern vorsprechen und um
ihre Hand anhalten. Aber er musste es schon von allein tun, sie konnte ihm das
schließlich unmöglich selber vorschlagen. So weit würde es nicht kommen, dass
sie einen Mann bat, sie zu heiraten!
    Nach dem Essen verließ Vitória unter dem Vorwand
die Runde, sich hinlegen zu müssen. Das trug ihr böse Blicke von Dona Alma ein,
doch man ließ sie gehen. Joana war mittlerweile, nachdem andere Gäste abgereist
waren, in ein eigenes Zimmer umquartiert worden, sodass Vitórias Abwesenheit
niemandem auffallen würde. Sie hatte beschlossen, sich bei dem Treffpunkt
einzufinden, obwohl sie noch immer nicht sicher war, ob sie nicht nur geträumt
hatte. Aber was hatte sie zu verlieren? Wenn er nicht kam, dann hätte sie
zumindest einen schönen nächtlichen Ausritt gemacht, und das war allemal
besser, als mit der Familie eine angestrengt gut gelaunte Konversation
aufrechtzuerhalten.
    Sie zog sich ein dunkles Kleid und robuste Stiefel
an und wartete, bis die Uhr im Salon acht Mal schlug. Dann öffnete sie leise
die Tür, sah rechts und links den Gang hinunter und lief, als sie sicher sein
konnte, dass niemand hier oben war, zur Hintertreppe. Auf Zehenspitzen schlich
sie die Treppe hinab und entschwand lautlos durch die Hintertür. Im Stall
sattelte sie selber ihr Pferd und führte es langsam über den Hof. Das war der
heikelste Moment des ganzen Unterfangens: Irgendein Sklave trieb sich
erfahrungsgemäß immer noch hier herum, obwohl er um diese Uhrzeit längst in der senzala sein sollte. Und in der casa Brande brauchte nur jemand
genau jetzt aus dem Fenster zu sehen, um ihren Ausflug zu vereiteln. Aber das
geschah nicht. Kein Mensch bemerkte Vitória und ihre brave Stute Vitesse, die
ihrer Herrin trotz der ungewohnten Umstände bereitwillig und geräuschlos
folgte. Aber gehört hätte man sie ohnehin nicht: Heftige, heiße Böen rüttelten
an Fensterläden und Türen und übertönten alle Laute, die Vitória verraten
konnten.
    Gleich hinter dem Hauptgelände saß Vitória auf.
Sie sah besorgt gen Himmel. Das dräuende Sommergewitter, das ihr Fest gestern
noch einmal verschont hatte, würde ganz sicher heute Nacht toben. Vielleicht
tat es ihr den Gefallen und brach erst dann los, wenn sie wohlbehalten zurück
auf Boavista war. Sie ritt vorsichtig nach Nordwesten und strengte ihre Augen
an, um im Mondschein den Weg zu erkennen und die Abzweigung nach Florença nicht
zu verpassen, an der sie sich verabredet hatten – immer vorausgesetzt, dass sie
sich die Verabredung nicht eingebildet hatte.
    Vitória band ihr Pferd am Stamm des Mandelbaums
fest. Trotz des aufgehenden Mondes war die Nacht düster. Am Himmel jagten
riesige Wolkenberge vorbei. Ein wütender Wind trieb ihr Tränen in die Augen und
presste ihr den Rock an die Beine. Der Baum wankte in dem Sturm, das Gras der
Wiese legte sich flach auf den Boden. Die Luft roch nach Gewitter. Wo blieb nur
León? Zu hören war bei diesem Getöse nichts, es übertönte sogar das
aufdringliche Zirpen der Grillen. Immer wieder glaubte Vitória die Silhouette
Leóns ausmachen zu können, bis sie erkannte, dass es nur Kaffeesträucher waren,
die sich im Wind wiegten.
    »Vita.« Gaukelte ihr der Wind nun schon Stimmen
vor? Sie drehte sich um – und fand sich in Leóns Armen wieder.
    »León!« Vitórias Herz machte einen Satz, doch
sie versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr er sie erschreckt hatte.
    Er sagte nichts. Er sah sie aus glasigen Augen
an, zog sie plötzlich ganz eng zu sich heran und küsste sie. Sanft erst, dann
immer fordernder. Seine Lippen schmeckten nach Salz und nach Alkohol. Vitórias
Atem beschleunigte sich. Aus der Art, wie er mit ihrer Zunge spielte, an ihren
Lippen knabberte und ihren Hals küsste, sprach Gier, fast Verzweiflung. So
hatte sie León noch nie erlebt.
    Als er in ihr Ohrläppchen biss und ihr dabei mit
rauer Stimme Liebesschwüre zuflüsterte, kratzten seine Bartstoppeln an ihrem
Hals. Vitórias Körper wurde von einer Woge der Erregung erfasst. Dennoch gelang
es ihr, ihn von sich fortzuschieben.
    »León, es donnert schon. Wir müssen Schutz
suchen. Sofort.« Sie lief zu Vitesse und band sie los. Sie spürte, wie nervös
das Tier war. Als sie aufsitzen wollte, stand León dicht

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