Analog 08
Roboter-ERA“, sagte Carrie.
„Richtig, Mrs. O’Hare, und selbstverständlich wird der Name Ihres Mannes erwähnt. Danach folgt nichts mehr über ihn, bis – bitte den Suchlauf beschleunigen, Millicent –, ja, bis wir seine biographischen Informationen erreichen. Geburtsort, Ausbildung, bisherige Wahlergebnisse, medizinische Gutachten und so weiter …“
„Medizinische Gutachten? Aber das ist vertrauliches Material!“
Der Bürgermeister sah sie besorgt an. „Vertraulich? Aber ich versichere Ihnen, Mrs. O’Hare, meine eigenen Daten sind ebenso vollständig …“
„Bei Menschen ist das anders ! Fiorellos Doktor hatte kein Recht, die Daten preiszugeben!“
„Ah, ich verstehe“, sagte der Bürgermeister und nickte verstehend. „Ja, gewiß, für den derzeitigen Arzt trifft das zu, Mrs. O’Hare. Doch bisher hatte der Kongreßabgeordnete immer einen ZIM-Doktor – einen Roboter, dessen Datenverarbeitung im zentralen Datenspeicher vonstatten ging, und das sind selbstverständlich alles öffentliche Informationen. Tut mir leid. Ich nahm an, Sie wüßten das. Zeige die medizinischen Gutachten des Kongreßabgeordneten“, fügte er an Millicent gewandt hinzu, und Carrie sah die wandernden Buchstabenreihen durch tränenverschleierte Augen an. Alles war da, seine gelinde Tachycardia, die Arthritis, die sich jeden Winter bemerkbar machte, das Asthma, sogar die Tatsache, daß der Kongreßabgeordnete gelegentlich an Verstopfung litt.
„Es ist abscheulich, seine Krankheiten gegen ihn einzusetzen, Bürgermeister Thom! Die Hälfte seiner Leiden geht auf das Konto von euch Robotern!“
„Das stimmt“, pflichtete der Bürgermeister bei. „Das meiste hat nervöse Ursachen und resultiert von der nervlichen Belastung während des Kampfes um die Rechte der Roboter. Wenn Sie den detaillierten Bericht durchgehen, dann werden Sie feststellen, daß – Datum achtundsiebzig, Zeile vier, bitte, Millicent – seine Hämorrhoidextomie eindeutig durch Streß verursacht worden ist, und mehr noch, daß sie direkt während der Roboterdebatte auftrat.“ Der Gesichtsausdruck des Bürgermeisters war nicht mehr nett und selbstsicher, er wurde langsam besorgt. „Ich verstehe gar nicht, was Sie so erregt, Mrs. O’Hare“, sagte Thom verteidigungsbereit.
„Daß es ein schmutziger Trick ist, das!“ An der Feuchtigkeit auf ihren Wangen konnte Carrie erkennen, daß sie nun tatsächlich weinte, hauptsächlich aufgrund hilfloser Frustration. Dies war ein politisches Argument, dem ihr Mann nichts entgegensetzen konnte. Es war offensichtlich, daß die Anstrengungen während der Verhandlungen des Roboter-Gesetzentwurfs der Gesundheit des Kongreßabgeordneten geschadet hatten – etwas, was die Roboter verstehen und sie dazu veranlassen würde, sich entsprechend ihrer Programmierung zu verhalten. Sie dienten den Menschen. Sie ersparten ihnen Schmerz und Leid. Daher würden sie ihm die Aufgabe wegnehmen, die so offensichtlich seine Gesundheit ruinierte – nicht aus Ablehnung, sondern aus Liebe. „Verstehen Sie denn nicht, daß das nicht mehr so ist?“ ereiferte sie sich. „Heutzutage ist das Leben eines Kongreßabgeordneten nicht mehr so anstrengend: keine Steuererhöhungen zu verabschieden, keine Aufrüstung gegen ausländische Nationen, keine Subversiven, die man im Auge behalten muß – wenn Sie die Gutachten ansehen würden, dann würden Sie erkennen, daß der Arzt dem Abgeordneten geraten hat, wieder zu kandidieren!“
„Ah, ja“, meinte der Bürgermeister. „Aber man kann nie wissen, was die Zukunft bringt …“
„Doch, das kann man“, brauste sie auf. „Wenn Fiorello diese Wahl verliert, wird es ihm das Herz brechen!“
Der Bürgermeister sah den weiblichen Roboter an, dann wieder Carrie. Das nette, besorgte Gesicht war verwirrt. Er schwieg einen Augenblick lang nachdenklich.
Dann sprach er wieder mit beschleunigter Geschwindigkeit zu der Sie, die den Chip aus ihrem Scanner-Schlitz nahm und dem Bürgermeister zurückgab. Dann lief sie zu dem Wagen mit den Hochrechnungsdisplays. „Einen Augenblick bitte, Mrs. O’Hare“, bat er und schob den Chip in den eigenen Scanner. „Ich bat Millicent, mir einen Chip über menschliche psychogenische Medizin zu bringen. Ich muß darüber nachdenken.“ Er schloß die Augen einen Moment und öffnete sie nur, um den Chip von der Sie entgegenzunehmen und ihn einzuführen.
Als der Bürgermeister die Augen wieder öffnete, war es … Bedauern? Entschuldigung? Keins von beidem,
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