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Analog 08

Analog 08

Titel: Analog 08 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers , Hans Joachim (Hrsg.) Alpers
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einzuschlagen. Aber welcher Weg war der ehrenvollere?
    Lassarr starrte in die Finsternis vor der Sichtscheibe. „Dir bleibt noch eine halbe Aarn , um zu entscheiden, ob du den gegenwärtigen Kurs beibehalten oder unsere Reise hier beenden willst“, sagte er. „Wenn du die Wahl nicht treffen willst, werde ich für dich entscheiden.“
    Sein Herz pochte laut, als Orofan zu erkennen gab, daß er verstanden hatte: „So sei es!“
     
    Eine der hübschesten Traditionen aus den alten Zeiten der Luxusdampfer auf den Meeren ist uns erhalten geblieben, dachte Chandra Carey. Sie meinte den Brauch, daß die Schiffsoffiziere gemeinsam mit den Passagieren speisten. Sie genoß es, die Gäste für den Kapitänstisch auszuwählen, und sie achtete immer darauf, eine interessante Person zu ihrer Seite zu haben. Daher reagierte sie verstimmt, als Goode, der erste Offizier, eine lebendige Diskussion über die Vererbungslehre mit der trockenen Meldung unterbrach, daß sie auf der Brücke gebraucht würde.
    „Schwierigkeiten mit der Maschine?“ fragte sie leise ins Sprechgerät – sie wollte die Passagiere nicht unnötig verunsichern.
    „Nein, Frau Kapitän. Aber es ist unbedingt nötig, daß Sie sofort hierherkommen.“ Goodes Stimme klang sehr sachlich, zu nüchtern.
    Chandras Ärger war verflogen. „Bin schon unterwegs.“
    Sie entschuldigte sich bei ihren Gästen und war neunzig Sekunden später auf der Brücke. Goode erwartete sie, einen Fernschreiberstreifen in der Hand. „Halten Sie sich besser gut fest“, sagte er und gab ihr den Streifen.
    Chandras Stirn legte sich in tiefe Falten, während sie die Meldung las. „Das ist doch lächerlich. Die Passagiere rausschmeißen und einen Riesensatz zur Ekliptik machen. Wozu, zum Teufel?“
    „Die Erläuterung kommt soeben herein. Schutzstrahl, mit dem Geheimcode der Reederei“, erklärte Goode. „Niemand geringerer als Ihr Vater hat die Meldung unterzeichnet.“ Er nahm den Streifen wieder an sich und eilte zum Navigator.
    „Von Paps?“ Chandra trat an den Fernschreiber und starrte auf den Streifen, der sich langsam aus dem Schlitz schob. Tatsächlich: FRIEDENSWACHTHAUPTQUARTIER ERDE AN P L ORIGAMI: ABS GENERAL CAREY. Jetzt war die Meldung vollständig, und Chandra las sie mit einer Mischung aus Faszination und Schrecken.
    „Nun?“ fragte Goode.
    Sie riß den Streifen ab und drückte ihn ihm in die Hand, gleichzeitig griff sie nach dem Mikrophon für die Hauptsprechanlage. Einen Augenblick lang hielt sie inne, um ihre Gedanken zu ordnen, die wie ein Marsorkan durch ihren Kopf rasten. Dann drückte sie auf den Zentralknopf.
    „Achtung, Achtung“, sagte sie und legte soviel Autorität wie möglich in ihre Stimme. „Hier spricht Kapitän Carey. Alle Passagiere und abkömmlichen Besatzungsmitglieder begeben sich sofort zu den Rettungsbooten. Es besteht keine unmittelbare Gefahr für die Origami , aber dies ist keine Übung. Ich wiederhole: Alle Passagiere und entbehrlichen Besatzungsmitglieder sofort zu den Booten. Dies ist keine Übung.“
    Das „In die Boote“-Signal heulte bereits auf, während sie einen anderen Kanal einschaltete. „Brücke an Maschine. In zwanzig Minuten muß der Antrieb auf volle Last hochgefahren sein. Beginnen Sie außerdem auf Fernsteuerung von der Brücke aus zu programmieren.“ Sie wartete die Bestätigung ab, dann schaltete sie die Verbindung aus. „Navigator!“ rief sie über die Brücke. „Bestimmen Sie den Kurs zu diesem Vektor!“ Sie tippte mit dem Finger auf den Papierstreifen, den Goode ihr gezeigt hatte. „Ich brauche die Mindestzeit zum nächstgelegenen Schnittpunkt. Höchstmögliche Beschleunigung! Lassen Sie die Tanks leichtern. Jedermann, der keinen Flugdienst hat, hilft, die Passagiere in den Booten unterzubringen. Wir springen in zwanzig Minuten. Setzt euch in Bewegung!“
    Während es auf der Brücke vor hektischer Aktivität zu brodeln begann, ließ sich Chandra auf ihren Sitz sinken, um die Meldung noch einmal sorgfältig durchzulesen. Sie konnte kaum fassen, daß die lange Suche so enden sollte, in einer Konfrontation auf Leben und Tod, wie die Begegnung mit einer tödlichen Giftschlange. Trotz der Gefahr und der bitteren Ironie fühlte sie eine Welle von Erregung in sich aufsteigen. Das Schicksal des gesamten Sonnensystems war durch einen Zufall in ihre Hände gelegt worden – sogar ihr Vater war auf sie angewiesen. Sie würde ihn nicht enttäuschen.
    Sie schaute zum Chrono hoch und drückte die Sprechtaste.

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