Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain
Einschränkungen für jene, mit denen ein Video der Kategorie ›B‹ gedreht wurde.
Nachdem er die Aufträge verteilt hatte, fuhr Semjon zum Flughafen, wo er einen Mann abholen sollte, der zu einem Auswahlgespräch angereist kam. Semjon war verdammt aufgeregt, bei Frauen wußte er, wie man den springenden Punkt erklärte, wußte, welcher Lüge sie leicht auf den Leim gingen, und wo man besser die Wahrheit sagte. Es war das erste Mal, daß er solch ein Gespräch mit einem Mann führen mußte, und er fürchtete, es könnte ihm irgendein Fehler unterlaufen. Am besten, er bat Kotik um Hilfe. Wie gut, daß er ein Autotelefon besaß. Und das Flugzeug kam erst in knapp einer Stunde.
Kotik, der eiligst ein Taxi genommen hatte, kam gerade noch rechtzeitig in dem Moment, als der Gast in der Empfangshalle erschien. Er hieß Wlad, war jung, so um die dreiundzwanzig, und winzig, hatte nikotingelbe Zähne und schaute mürrisch drein. Nach Auskunft der Spezialisten war Wlad ein ziemlich guter Schauspieler, der sein Handwerk beherrschte. Seit er fünfzehn war, hing er an der Nadel und brauchte dauernd Geld. Für Semjon war das eine gute Chance, und er wollte alles tun, um sie zu nutzen.
* * *
»Sie rücken irgendwie nicht heraus mit der Sprache.« Wlad schüttelte den Kopf und schenkte sich noch ein Mineralwasser ein. Alle drei saßen in einem kleinen Cafe neben dem Flughafengebäude. Semjon trank Kaffee, Kotik schlürfte ein Dosenbier, und Wlad, der gleich erst mal zwei Wodka gekippt und ein Brathähnchen verdrückt hatte, ging jetzt zu Mineralwasser über.
»Ich kapiere nicht, wieso Sie für Ihren Film nicht auch einen gewöhnlichen achtjährigen Jungen nehmen können. Die stellen sich ganz prima an vor der Kamera, Sie hätten keine Probleme, zumal Sie ja, wie ich verstanden habe, einen Kurzfilm drehen. Fragen Sie einen beliebigen Schuljungen – der wird glücklich sein und sich kostenlos filmen lassen. Und Sie wollen mir dafür einen gehörigen Batzen Geld zahlen. Ich will gar nicht leugnen, daß ich Geld brauche, aber ich hätte gern genau gewußt, wofür ich es bekomme.«
»Ich kann es erklären«, meinte Kotik sanft und blickte Wlad liebevoll an. »Ich brauche keinen gewöhnlichen Schuljungen, ich brauche einen Schauspieler, einen wirklich großen Schauspieler, der imstande ist, ein gewisses feeling zu vermitteln. Das zum ersten. Und zweitens brauche ich einen Schauspieler mit musikalischem Talent. Sehen Sie, das Studio experimentiert auf dem Gebiet des Kinofilms, insbesondere versuchen wir, die Wirkung der schauspielerischen Leistung durch eine speziell ausgesuchte musikalische Begleitung zu verstärken. Eben nicht so, wie es sonst immer gemacht wird: die Szene abdrehen, dann die Musik dazu schreiben und vertonen. Bei uns wird die Musik zuerst gemacht, sie wird während der Drehaufnahmen eingespielt und soll den Schauspieler emotional inspirieren, sein Spiel gewinnt an Ausdruck, und im Idealfall bringt er die Szene in Einklang mit der musikalischen Begleitung. Überlegen Sie selbst, ein Kind könnte so etwas doch nicht schaffen! Über Sie habe ich mir sagen lassen, Sie hätten ein feines Gespür für Musik, und daß Sie früher sogar mal selbst komponiert haben.«
Klasse! Semjon jubelte innerlich. Wie ihm das bloß alles einfällt? Ich könnte das nicht. Ich hätte ihn wahrscheinlich versucht zu überreden, hätte ihn mit dem Geld gelockt, das mindestens für ein ganzes Jahr reicht, falls er seine Dosis Stoff nicht erhöht. Vielleicht hätte ich ihm auch angst gemacht, obwohl ich so was gar nicht mag. Jedenfalls hätte ich ihn nicht laufenlassen. Meinetwegen unter Drogen, aber in den Pavillon hätte ich ihn geschleift. Kotik hingegen arbeitet sauber –ein wahrer Genuß!
Sie brachten Wlad in jene Wohnung, in der noch gestern abend das Mädchen, das beim Wettbewerb durchgefallen war, ihren Koffer gepackt hatte und mit der Zusicherung nach Hause geschickt worden war, ihre Daten würden jedem respektablen Kunden vorgelegt, und das Glück würde ihr sehr bald lachen, bestimmt schon nächsten Monat.
»Machen Sie es sich bequem.« Mit einladender Geste öffnete Kotik die Tür. »Ruhen Sie sich aus. Gegen Abend wird Ihnen das Drehbuch gebracht, lesen Sie es, lassen Sie es auf sich wirken. Morgen ist ein Treffen mit dem Regisseur und der Schauspielerin angesetzt. Übermorgen Aufnahme. Und noch am selben Tag fliegen Sie wieder ab. Ist Ihnen diese Planung recht?«
»Durchaus. Und wann kommt das Geld? Sonst verhungere ich
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