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Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain

Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain

Titel: Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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keiner an. Man konnte sich schützen vor Krankheiten an Herz, Magen, Leber, wenn man entsprechend lebte. Man konnte vermeiden, Alkoholiker zu werden oder drogenabhängig. Doch wie vermied man es, schizophren zu werden? Wer konnte das beantworten? Wie sich vor einer Persönlichkeitsspaltung schützen? Mein Gott, war er wirklich bis an sein Lebensende zu diesem Teufelskreis verdammt? Eine Frau vor laufender Kamera töten, dann, um die Anfälle jedesmal in den Griff zu bekommen, es sich mehrere Male anschauen und dabei alles noch einmal durchleben, dann, wenn die Wirkung des Films nachließ, erneut töten . . . Er hatte bereits sämtliche Wertgegenstände verkauft, die seine Mutter noch von ihrem Großvater und Urgroßvater geerbt hatte. Was für ein Glück, daß sie adlig gewesen waren. Da gab es wenigstens noch was zum Verhökern. Besser gesagt, hatte es gegeben. Eine einzige Sache war noch übrig. Mit ihr würde er diesen letzten Film bezahlen. Und was dann?
    Jurij Fjodorowitsch betrachtete diese letzte Ikone und verfluchte sich. Wie oft hatte er als Kind und noch als Jugendlicher in diese unvergleichlichen, traurigen, alles verzeihenden Augen geblickt, und welch herrliche, klare Trauer hatte ihn dabei überkommen, was für eine Ruhe hatte ihn erfüllt! Er hatte sich buchstäblich aufgelöst in diesem Blick, war darin geschwommen wie in einem Ozean der Liebe und des Mitleids und erneuert und voller Kraft wieder daraus hervorgegangen.
    Schon oft hatte man sie ihm abkaufen wollen, unglaubliche Summen versprochen, doch immer hatte er sich kategorisch geweigert. Er hatte immer gedacht, besser sterben als sich von diesem Wunder trennen.
    Heute würde er die wundertätige Ikone verkaufen. Als Bezahlung für einen Mord.
    * * *
    Als Nastja nach ihrem ausgiebigen Spaziergang in der STADT wieder hinauf in ihr Zimmer ging, stellte sich ihr plötzlich ein großer dunkelhaariger Typ mit freundlichem Gesicht und bezauberndem Lächeln in den Weg.
    »Guten Tag, mein Name ist Pawel. Mir ist aufgefallen, daß Sie gar nicht beim Frühstück waren. Haben Sie verschlafen?«
    »Nein«, erwiderte Nastja ruhig. Wenn sie nicht wollte, dann war mit ihr kein Gespräch anzufangen, egal wie man es anstellte.
    »Was dann? Diät?«
    »Nein.«
    »Ich kapier’ es einfach nicht!« Theatralisch griff sich Pawel an den Kopf. »Ah, ich hab’s. Sie haben woanders übernachtet. Stimmt’s? Aber sagen Sie jetzt bloß nicht ja, sonst brechen Sie mir das Herz. Meinen ganzen Mut habe ich zusammengekratzt, um Sie anzusprechen, und kaum traue ich mich – Fehlanzeige! Sagen Sie nichts, sagen Sie nichts, ich will nichts hören von anderen Verehrern, die mehr Erfolg haben. Ich lade Sie hiermit zum Mittagessen ein. Werden Sie kommen?«
    »Nein.« Sie gab sich nicht einmal mehr die Mühe zu lächeln. »Ich komme nicht.«
    »Wieso denn nicht? Sind Sie beschäftigt? Dann eben zum Abendessen.«
    »Ich will nicht. Seien Sie so gut, lassen Sie mich bitte in Ruhe.«
    »Ich lasse Sie ja schon. Aber ein Kompromiß: Sie erklären mir, warum Sie nicht zum Essen mitgehen wollen, und ich lasse Sie dafür in Ruhe. Abgemacht? Kommen Sie, wir setzen uns in die Sessel dort und reden.«
    Nastja gab nach und ließ sich in einem der Sessel nieder, zuvor hatte sie eine Balkontür geöffnet und zündete sich nun eine Zigarette an. Der Typ nahm neben ihr Platz, sein Knie stieß leicht an ihren Schenkel.
    »Also, ich höre. Wieso wollen Sie nicht mit mir Essen gehen?«
    »Ich will nicht, und damit basta. Und wieso glauben Sie, ich müsse wollen? Hätte ich ja gesagt, hätten Sie auch nicht gefragt, warum. Hab’ ich recht? Sie unterstellen, daß irgend etwas zu wollen – normal sei, und etwas nicht zu wollen –etwas sei, das einer Erklärung bedarf. In Wirklichkeit ist es genau umgekehrt. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht?«
    »Nein . . . Ich verstehe sowieso noch nicht ganz.«
    »Was ist daran so unverständlich?« Sie nahm einen tiefen Zug aus ihrer Zigarette, streckte die Hand aus und schnippte die Asche hinaus auf den Balkon. »Ich habe mein eigenes Kurprogramm, meinen Tagesablauf, meine eigenen Pläne für den Tag. Und da kommt ein Wildfremder auf mich zu und schlägt mir vor, diese Pläne zu ändern. Wozu? Wegen eines kostenlosen Mittagessens? Ich habe genug Geld, um mich selber zu ernähren. Wegen interessanter Gesellschaft? Das bezweifle ich. Sie sehen nicht aus wie ein interessanter Gesprächspartner. Um die Zeit totzuschlagen? Mir ist aber überhaupt nicht

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