Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain
langweilig, ich brauche keine Abwechslung. Also frage ich Sie, ist meine Ablehnung wirklich so unsinnig, daß sie einer Erklärung bedarf? Meiner Meinung nach hätte es Sie erstaunen müssen, wenn ich zugesagt hätte, nicht andersherum. Ist Ihre Frage damit beantwortet? Dann halten Sie jetzt Ihr Versprechen.«
»Welches Versprechen?« fragte Dobrynin etwas verwirrt.
»Lassen Sie mich in Ruhe. Ihr Bekannter hat mir ja immerhin noch Geld dafür geboten, wenn ich mit ihm rede. Und auf was sind Sie aus? Auf mein unwiderstehliches Äußeres?«
Nastja stand auf. Ihr Gedächtnis hatte diesmal nicht getrogen: Pawel war im Speisesaal am selben Tisch gesessen wie dieser kleinwüchsige Gnom von gestern, der sie auf dem Spaziergang belästigt hatte.
»Er hat Ihnen Geld angeboten?« Pawel schien es fast die Sprache zu verschlagen, dann lachte er laut los. »Jetzt begreife ich, warum Sie ihm gesagt haben, er solle in die Klapsmühle. Ach je, Kolja! Dieser Einfaltspinsel!«
Nastja war jetzt etwas milder gestimmt. Die Situation begann sich zu klären und schien ihr fast zum Lachen.
»Hören Sie, mir scheint, Sie beide haben auf mich eine Wette abgeschlossen. Erraten?«
»Erraten.« Pawel kamen die Tränen vor Lachen. »Eine ziemlich ungewöhnliche Frau, die keinerlei Bekanntschaften machen will. Das reizt natürlich! Sie dürfen bitte nicht böse sein, ja? Wir hatten nichts Schlimmes im Sinn. Sechs Stunden lang harmlose Unterhaltung, nichts weiter. Übrigens, wir haben jeder zweihunderttausend auf Sie gesetzt. Wenn ich gewinne, bekomme ich auf einen Schlag vierhundert.«
»Sie spielen also zu dritt?«
»Ja.«
»Und wer ist der Dritte? Hat es womöglich Sinn abzuwarten? Womöglich ist er der schöne Prinz?«
»Er hat es bereits versucht bei Ihnen.«
»Mit welchem Ergebnis?«
»Sie haben ihn zurückgewiesen, stolz und unnahbar.«
»Welcher ist es? Helfen Sie mir auf die Sprünge.«
»Shenja, so ein sympathischer Blonder. Er arbeitet hier im Sanatorium als Elektriker.«
»Ah ja, jetzt weiß ich wieder.« Nastja schwieg eine Weile, zündete sich eine neue Zigarette an. »Treiben Sie dieses seltsame Spielchen schon länger?«
»Seit zwei Tagen. Wir haben erst gestern angefangen.«
Aber der Blonde in der Bar, das war vorgestern. Irgendwas paßt da nicht zusammen. Mein Gott, worüber ich mir bloß den Kopf zerbreche! Dabei müßte ich arbeiten. Übersetzen. Mich erholen. Mich kurieren. Statt dessen versuche ich weiterzumachen wie in Moskau. Sollen diese kleinen Buben doch herumalbern, was geht mich das an? Selbst wenn dieser Elektriker Shenja sie irgendwie hereingelegt hat, ist schließlich nicht mein Problem . . .
»Gut, junger Mann, frisch gewagt. Entschuldigen Sie, daß ich Ihnen nicht zu Reichtum verholfen habe. Versuchen Sie auf eine Jüngere zu setzen. Bei mir hat es nicht mehr viel Sinn.«
Nastja hatte noch keine zwei Schritte gemacht, schon stolperte sie über Damir. Er war ganz bleich im Gesicht, sah besorgt aus.
»Nastja, hab’ ich dich endlich gefunden. Wo warst du? Komm schnell.«
Nastja folgte ihm. Sie begriff überhaupt nichts.
»Wo warst du nur? Den halben Tag suche ich dich schon.«
»Ich war spazieren in der STADT. Aber warum hast du mich gesucht?«
»Regina ging es nicht gut, ich wollte dich bitten, bei ihr zu bleiben. Ich bin sofort losgerannt, aber du warst verschwunden. Natürlich habe ich mir Sorgen gemacht. Ich habe mich gestern schweinisch benommen, dich nicht mal bis zum Zimmer begleitet, und als ich dich heute morgen nicht antraf –kannst dir ja vorstellen, was mir da alles durch den Kopf ging.«
»Klar, ich wurde entführt von maskierten Banditen und in die Sklaverei verkauft. Damir, mach mich jetzt nicht verrückt. Wohin gehen wir?«
»Zu mir aufs Zimmer.«
»Und Regina Arkadjewna? Sie fühlt sich doch schlecht, hast du selbst gesagt. . .«
»Eine Krankenschwester ist bei ihr. Aber ich muß mit dir reden.«
Spinn ich oder was? Alle wollen mit mir reden. Was ist hier eigentlich los?
Damir hatte eine Zweizimmer-Suite ›Deluxe‹ im ersten Stock, ganz hinten. Neben Fernseher, Kühlschrank und Bar bemerkte Nastja noch ein Telefon auf dem Schreibtisch. ›Deluxe‹ ist eben ›Deluxe‹, dachte sie neidisch.
»Also, laß uns reden.« Vorsichtig ließ sie sich mit ihrem schmerzenden Rücken in einen tiefen Sessel sinken. »Was wolltest du mir sagen?«
Damir öffnete den Barschrank, nahm eine Flasche Martini dry heraus, hohe Gläser und Eiswürfel aus dem Kühlfach.
»Habe ich es
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