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Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain

Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain

Titel: Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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taktvoll, doch sobald sich ein Vorwand bietet, sich wie eine Klette an mich dranhängen.
    »Entschuldigung, es geht mich ja eigentlich nichts an, aber Regina Arkadjewna kann wirklich nicht einmal aufstehen. Sie ist sehr eingeschränkt in ihren Bewegungen und kommt vielleicht einfach nicht zurecht beim Essen.«
    Nastja schoß das Blut in die Wangen. Wie herzlos bist du doch, sagte sie zu sich selbst.
    »Natürlich, ich werde mit ihr zu Abend essen. Lassen Sie bitte mein Abendessen auch heraufbringen.«
    * * *
    Während des Abendessens war die Alte recht schweigsam und nervte Nastja nicht mit irgendwelchen Gesprächsthemen, wofür diese ihr dankbar war.
    »Bedrückt Sie irgend etwas, Regina Arkadjewna?« Nastja mußte sich zu dieser Frage durchringen.
    »Ja. Die Abhängigkeit vom Geld.« Die Alte mußte urplötzlich lachen. »Verstehen Sie mich richtig. Ich bin alt. Und außerdem noch Invalide. Sollte ich etwa nicht das Recht haben, mein Leben in Würde zu Ende zu bringen? Ein Leben lang habe ich gehinkt und mich dafür geschämt. Ein Leben lang habe ich mich, neben allem anderen, für mein Gesicht geschämt. Hat Damir Ihnen davon erzählt?«
    Nastja nickte.
    »Hätte ich in jungen Jahren Geld gehabt, wäre alles anders gekommen, aber darum geht es jetzt nicht. Was vorbei ist, ist vorbei. Jetzt hingegen, da ich endlich genug Geld habe, da mich, ohne zu übertreiben, die ganze STADT kennt, kann ich trotz allem keine passende Gefährtin finden, die mir das Gefühl gäbe, nicht hilflos zu sein, und mich nicht zu einer Last für meine Umwelt werden ließe. Ich habe jetzt sehr viel Geld, Nastjenka, schließlich bin ich ein hartgesottenes Weib«, sie lachte wieder, herzhaft und ansteckend. »Seit einige meiner Schüler internationales Ansehen genießen, rennen mir die Eltern die Türe ein, damit ich auch aus ihren Kinderlein Maestros mache. Und für Privatstunden nehme ich viel. Nicht weil ich geldgierig wäre, Nastjenka, sondern weil ich niemandem zur Last fallen möchte. Nur hier, im Sanatorium, wo ich kein Telefon habe und fernab von allem bin, mußte ich Sie belästigen. Wäre ich jetzt zu Hause, bräuchte ich nur zu pfeifen! Schon kämen sie gerannt, ob jung, ob alt, kochen, waschen, bedienen, aufs Klo führen, weil sie wissen: Ich zahle gut. Ich ertrage es nicht, wenn man mir aus Mitleid einen Gefallen tut! Doch manchmal denke ich: Was wäre, wenn ich diese Privatstunden nicht hätte? Was würde dann aus mir? Leider, meine Teure, muß ich feststellen, daß unser Leben nicht so eingerichtet ist, daß wir ein dauerhaftes Gefühl von Würde bekommen. Rede ich nicht viel zu verworren?«
    »Nein, gar nicht. Ich jedenfalls habe alles verstanden. Wenn es Sie so sehr beunruhigt, daß ich Ihnen kostenlos behilflich bin und es Ihre Würde verletzt . . . Habe ich Ihren Monolog soweit richtig verstanden?«
    »Sie sind sehr klug, Nastja, das muß man Ihnen lassen. Also, was weiter?«
    »Schenken Sie mir Ihre Weintrauben. Die sind so schön, ich muß immer wieder hinsehen. Und bestimmt schmecken sie auch gut.«
    * * *
    »Für das Abendessen habe ich sie bei der kranken Zimmernachbarin untergebracht. Da kann sie mal ein bißchen Edelmut zeigen und sich um die kümmern. Hauptsache, sie geht nicht in den Speisesaal. Aber wie soll ich sie für den Rest des Abends auf dem Zimmer halten?«
    »Wenn doch bloß Damir schon zurück wäre. Hast du im Pavillon angerufen?«
    »Hab’ ich. Die haben mit der zweiten Bestellung angefangen, Kategorie ›B‹. Ich müßte eigentlich auch längst hin, aber dieser Sarip. . .«
    »Kontrolliere das Gebäude noch mal von außen. Vielleicht versucht er, sie von außen durch die Fenster im Speisesaal zu entdecken. Dem ist alles zuzutrauen.«
    »Wird gemacht.«
    * * *
    Wlad hörte, wie ein Schlüssel ins Schloß gesteckt wurde. Flink sprang er in der Küche von dem hohen Hocker und schaute in den Flur. Neben Semjon stand ein hübsches Mädchen mit kastanienbraunem, gewelltem Haar. Sie trug ein etwas altmodisches, strenges Kleid, hatte aber lässig eine hellgraue Glacelederjacke übergeworfen.
    »Darf ich bekanntmachen. Swetlana, das ist Wlad, dein Filmpartner. Wir haben den Aufnahmeplan etwas gestrafft, damit ihr schneller fertig seid. Die Aufnahmen sind morgen früh, also bereitet euch heute noch anständig vor.«
    Semjon öffnete einen Aktenkoffer und entnahm ihm einen Kassettenrecorder und einige maschinenbeschriebene Blätter Papier.
    »Hier, das Drehbuch. Ist ganz simpel, ihr werdet schon sehen. Das

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