Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain
gemeinsam ausgedacht, um Geld zusammenzubekommen und ins Ausland zu fahren, wo wir miteinander leben können, und wo keiner danach fragt, wie alt du bist. Hast du das vergessen? Wir haben schon soviel beisammen, nur noch ein ganz kleines bißchen durchhalten. Komm, Kleines«, er begann sie zärtlich zu küssen, »meine Süße, bring dich in Stimmung, reiß dich zusammen. Wenn du willst, frag ich Damir, ob er unsere Musik macht, du weißt schon? Die wir zusammen gehört haben, am Sonntag, bei mir zu Hause, das war doch so schön. Du wirst die Musik hören und an mich denken. Und ich werde daneben stehen. Du machst die Augen auf – und siehst mich. Als ob ich es bin, der zu dir zärtlich ist. Hm? Komm, mein Schatz, komm, bist doch mein kluges Mädchen, tu es für uns.«
»Wieso kann man dem nicht sagen, es geht nicht!« rief Vera in ihrer Verzweiflung. »Warum muß seine Bestellung unbedingt gemacht werden! Es gibt doch auch noch andere Mädchen.«
»Er will keine anderen, er will dich.«
»Und wenn ich nicht will? Mit anderen meinetwegen, aber der . . .«
»Sag mal, weißt du etwa nicht mehr, wer dein Großvater ist?« Die Stimme des Typs wurde streng. »Wenn der Kunde verärgert ist, kannst du alles vergessen. Er verpfeift uns, und dein Großvater wird mich schlicht und einfach umbringen. Willst du das etwa?«
»Also gut, gehen wir.« Vera seufzte so bitterlich, daß es dem zynischen Chemiker im Herzen weh tat.
* * *
Sarip wanderte einsam durch den Wohntrakt des Sanatoriums in der Hoffnung, seine blondhaarige Schönheit anzutreffen. Er wußte nicht genau, was er tun würde, wenn er sie fand. Vielleicht direkt auf sie zugehen und sofort eine Liebeserklärung abgeben. Da würde sie nicht widerstehen können, keine Frau kann widerstehen, wenn sich einer offen zu seinen Gefühlen bekennt. Oder vielleicht stellt er sich ihr als Kinoregisseur vor und bietet ihr an, in einem Film mitzumachen. Alle Frauen wollen zum Film, jede träumt davon, daß sie eines schönen Tages auf der Straße von einem berühmten Regisseur angesprochen wird und eine Rolle angeboten bekommt. Das weiß er genau, das kann man ja in allen Romanen lesen. Vielleicht macht er es aber auch ganz anders. Er lockt sie irgendwohin an ein stilles Fleckchen, bietet ihr viel Geld, wie einer Edelnutte, fickt sie und macht das, wovon er schon so lange träumt. Ja, er würde sie erwürgen, ihr lange und leidenschaftlich die Kehle zudrücken und dann mit seinem ganzen Körper ihre letzten Zuckungen spüren . . . Ach, das wird geil! Nur, wo soll er sie suchen? Fragen, welche Zimmernummer sie hat? Er weiß ja nicht einmal ihren Namen. Und es soll sich auch besser niemand an ihn erinnern können, wenn man sie erdrosselt auffindet.
Seine Mama hatte zu ihm als Kind immer gesagt, er sei ein Dummkopf und die Frauen würden ihn später nicht lieben. Das stimmt doch gar nicht! Und wie sie ihn lieben! Weil er so stark ist und so schön, das haben alle Frauen gesagt, die sich ihm hingegeben haben. Stimmt schon, die sind alle um einiges älter gewesen, dick, dunkelhäutig, nicht besonders schön, einige auch betrunken. Aber sie haben ihn geliebt! Doch wovon er träumt, das ist eine junge, zarte, elegante, hellhäutige. Und er hat sie gefunden. Soll er jetzt etwa auf sie verzichten? Nein, nein und nochmals nein. Wie ein Schatten wird er durch diese Flure schleichen, bis er sie gefunden hat.
Bald ist Abendessen. Dann wird er von draußen durchs Fenster den Speisesaal beobachten. Zum Abendessen kommt sie ganz gewiß, und dort wird er sie sich dann endlich schnappen.
* * *
Nastja hörte, wie nebenan die Tür von Regina Arkadjewna ins Schloß fiel, und gleich darauf klopfte es bei ihr an der Tür. Es war Konstantin, zu dem Nastja immer zur Massage ging.
»Ich bitte um Verzeihung, Sie sind Nastja?« Er lächelte breit. »Ich heiße Konstantin. Sie erinnern sich, Ihr Masseur.«
»Aber ja doch, natürlich. Kommen Sie herein.«
»Nur auf einen Sprung. Ich war eben bei Ihrer Nachbarin, habe mir das Bein angesehen. Sieht schon viel besser aus, morgen wird sie wieder gehen können. Nun, sie bat mich, in den Speisesaal zu gehen, um der Bedienung auszurichten, man möge ihr das Abendessen aufs Zimmer bringen. Gleichzeitig sollte ich in Erfahrung bringen, ob Sie ihr nicht Gesellschaft leisten möchten.«
»Danke, nein, ich gehe in den Speisesaal«, erwiderte Nastja kühl. Also geht es doch los, dachte sie. Versucht es die Alte also andersherum, mich einzufangen. Zuerst ganz
Weitere Kostenlose Bücher