Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain
passiert?«
»Regina Arkadjewna!«
»Ist schon gut, ist schon gut, machen Sie es auf. Ich ziehe einen Mantel über.«
Jura war es äußerst peinlich, aber er mußte unbedingt hören, was Nastja da für einen Gast hatte, noch dazu mit so teuren Rosen. Er öffnete vorsichtig den Riegel der Balkontür und blieb an der Schwelle stehen.
* * *
»Gestatten Sie, daß ich mich vorstelle, Anastasija Pawlowna, mein Name ist Lew Michailowitsch Repkin, ich bin Assistent des Bürgermeisters der STADT, Vorsitzender der Kommission zur Koordination der Rechtsschutzorgane.«
Nastja erstarrte. Der Besuch kam unerwartet und unpassend. Sie war eben von der Massage zurückgekehrt und stand in einer Trainingshose und einem knielangen T-Shirt vor ihm. Ein unpassenderes Aussehen für eine Unterhaltung mit dem Assistenten des Bürgermeisters gab es nicht.
»Das ist für Sie.« Repkin reichte ihr die Rosen.
»Danke. Nehmen Sie Platz.« Nastja deutete auf den Lehnstuhl. »Was kann ich für Sie tun?«
»Anastasija Pawlowna, ich komme gleich zur Sache. Es ist zu einem betrüblichen Mißverständnis zwischen Ihnen und den Mitarbeitern unserer Polizei gekommen. In erster Linie möchte ich mich für sie entschuldigen.«
»Und in zweiter Linie?«
»Lassen Sie uns zunächst die erste Frage abschließen. Sie ist von grundlegender Bedeutung. Nehmen Sie meine Entschuldigung an?«
»Nein.« Sie lächelte lieblich.
Manchmal war es schwer, mit Nastja zu sprechen. Wenn ihr der Gesprächspartner nicht gefiel, beschränkte sie sich auf lakonische Antworten, ohne ihm eine Möglichkeit zu geben, das Gespräch in Gang zu bringen. So zwang sie ihn, eine Menge detaillierter Fragen zu stellen, die ihn selbst als allerersten ermüdeten. Grundlage einer gutwilligen Unterhaltung ist die gegenseitige Unterstützung der Gesprächspartner, das wußte Nastja.
»Warum? Hat man Sie so sehr gekränkt?«
»So sehr hat man mich nicht gekränkt, aber es wurden Fragen berührt, die für mich von grundlegender Bedeutung sind. Ich lasse Sie eine Minute allein – ich muß die Blumen ins Wasserstellen.«
Sie nahm den Strauß und ging ins Bad, ließ das Wasser einlaufen und blickte in den Spiegel. Immer noch derselbe Anblick, dachte sie lächelnd. Was mag der Besuch von diesem Repkin bedeuten? Brauchen sie wirklich Hilfe? Sieht nicht so aus. Ein gewöhnlicher Mord an einem gewöhnlichen Fahrer. Lohnt es sich, solche Kräfte auf der Ebene des Bürgermeisteramtes zu mobilisieren, um noch einen weiteren Menschen zur Mitarbeit zu bewegen? Ein bißchen wenig Information, um Schlüsse zu ziehen . . . Soll ich mich frisieren? Ach was, für den ist das nicht notwendig.
Sie kehrte ins Zimmer zurück, setzte sich auf den Stuhl und sah den Besucher erwartungsvoll an.
Repkin hustete und versuchte fortzufahren.
»Ihre Antwort bedeutet, daß Sie unter keinen Umständen mit der örtlichen Polizei Zusammenarbeiten wollen. Habe ich Sie richtig verstanden?«
»Nein.« Sie lächelte wieder und setzte sich bequemer hin. »Wenn das so ist, verstehe ich Sie nicht, Anastasija Pawlowna.« Repkins Stimme klang verärgert.
»Ich verstehe Sie schon. Sie, ein so beschäftigter Mensch, eine Amtsperson von Rang, kaufen Rosen und fahren ins Sanatorium, um herauszufinden, wie weit die Verstimmung zwischen der Kriminalpolizei und einem gewöhnlichen Kurgast gediehen ist. Kommt Ihnen das nicht selbst lächerlich vor?«
»Ich finde es traurig. Ich finde es sehr traurig, Anastasija Pawlowna, daß Sie so feindselig gestimmt sind. Haben Sie von unseren Polizeiorganen insgesamt einen negativen Eindruck?«
»Nein.«
»Sind Sie der Meinung, daß unsere Mitarbeiter nicht ausreichend qualifiziert und beruflich nicht auf der Höhe sind?«
»Nein, wie kommen Sie darauf.«
»Können Sie mir die Namen derer nennen, gegen die Sie Einwände haben?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil ich nicht will.«
»Kurz und bündig.« Repkin lachte. »Sie halten Ihre Beziehungen zu unseren Mitarbeitern für Ihre ganz persönliche Angelegenheit und wollen nicht, daß sich da jemand einmischt und Konsequenzen zieht. Ist das richtig?«
»Das ist richtig.« Nastja nickte.
»Dann komme ich zur zweiten Frage. Anastasija Pawlowna, man schätzt Sie aufgrund Ihrer analytischen Fähigkeiten. Ich weiß, daß Sie im Urlaub sind, aber die Stadtverwaltung hat eine Bitte an Sie. Könnten Sie uns nicht beratend helfen? Wir stellen Ihnen jede nötige Information zur Verfügung, und Sie lassen uns an Ihren Schlußfolgerungen
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