Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain
teilhaben.«
»Geht es um den Mord an Alferow?«
»Wo denken Sie hin, der Mord an Alferow ist bereits aufgeklärt. Es geht um ernsthaftere Dinge.«
Nastja hatte Mühe, ihre Erregung zu verbergen. Wann hatten sie das nur aufgeklärt? In der Nacht vielleicht? Schade, daß sie sich nicht mehr mit Korotkow getroffen hatte.
Lew Michailowitsch fuhr inzwischen fort:
»Wir haben Anlaß zur Annahme, daß sich in der STADT eine kriminelle Gruppierung gebildet hat, die einige Mitarbeiter der Rechtsschutzorgane korrumpiert hat. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie diese Frage mit uns erörtern und uns sagen könnten, in welcher Richtung wir vorgehen sollen, um diese Gruppe aufzudecken und unschädlich zu machen.«
Nicht übel! Ist es möglich, daß ich mich so sehr irre? Ich war davon ausgegangen, daß es in der STADT nur eine Mafia gibt, die alles in ihren Händen hat. Wenn das der Fall ist, muß die Verwaltung und in erster Linie Herr Repkin mit ihr in Zusammenhang stehen. Erste Möglichkeit: Ich habe mich nicht geirrt, und Repkin vertritt Leute, die mit ihren Arbeitgebern nicht zufrieden sind und nach Möglichkeiten suchen, sie mit Hilfe Moskaus zu stürzen. Dafür brauchen sie einen Berater, der ihnen sagt, wo, wie und welche Beweise man sammeln muß, damit die zentralen Rechtsschutzorgane sie unterstützen. Möglichkeit Nummer zwei: In der STADT gibt es keine Hauptmafia, wie ich sie mir ausgedacht habe. Die Verwaltung ist ehrlich und sauber, und alles, was Repkin sagt, ist wahr. Möglichkeit Nummer drei: Es gibt diese Hauptmafia doch, und sie ist die einzige, aber sie hat Konkurrenten bekommen, die sie nicht unter Kontrolle hat. Zum Beispiel die, die Alferow umgebracht haben. Ja, wer hat ihn eigentlich getötet, den Unglücksraben?
»Lew Michailowitsch, warum versuchen Sie, Ihre Probleme auf privatem Weg zu lösen? Wenden Sie sich an das Innenministerium in Moskau oder an die Zentralkommission zur Korruptionsbekämpfung, die werden Ihnen helfen. Sie haben sowohl erstklassige Experten als auch große Vollmachten, außerdem mehr Kräfte und Mittel als ich.«
»Das wäre äußerst unerwünscht«, antwortete Repkin schnell und schob seinen gewichtigen Körper ein Stück nach vorne.
»Aber warum denn?«
»Weil wir nur Verdachtsmomente haben, die sich als falsch erweisen könnten. Wir bringen die ganze STADT in Aufregung und werfen ein schlechtes Licht auf Menschen, die nichts auf dem Kerbholz haben. Wir bitten Sie darum, uns zu sagen, wie wir diese Verdachtsmomente überprüfen sollen.«
Also Möglichkeit Nummer drei. Das ist schon einfacher. Zumindest keine Politik. Eine lustige Geschichte: Die Mafia engagiert mich als Privatdetektiv, damit ich ihr helfe, ihre Konkurrenten zu beseitigen.
»Es tut mir sehr leid, Lew Michailowitsch, daß Sie sich vergeblich bemüht haben. Ich habe andere Pläne für meinen Urlaub. Abgesehen von meiner Kur arbeite ich hier auch noch.« Nastja deutete auf den Tisch, der von Papier und Wörterbüchern bedeckt war. »Ich fürchte, daß ich keine freie Zeit haben werde. Außerdem ist der Urlaub doch zum Ausruhen da und nicht zum Arbeiten. Geben Sie mir recht?«
»Das heißt, Sie weigern sich?«
»Ja.«
»Anastasija Pawlowna, treffen Sie Ihre Entscheidung nicht voreilig. Ihre Beratertätigkeit wird entsprechend honoriert. Denken Sie darüber nach.«
»Gut«, lenkte sie plötzlich ein. »Ich denke darüber nach. Aber ich habe eine Reihe von Bedingungen. Erstens werde ich nur mit dem sprechen, der am unmittelbarsten an meiner Hilfe interessiert ist. Spielen wir nicht Verstecken, Lew Michailowitsch. Es ist völlig klar, daß nicht Sie dieser Mensch sind. Ich denke über Ihre Worte nach und gebe morgen um die gleiche Zeit eine Antwort. Aber bedenken Sie, wenn ich morgen wieder Sie hier sehe, werde ich wieder ablehnen und das endgültig. Zweitens bitten Sie mich nicht, die korrumpierten Mitarbeiter der Polizei herauszufinden. Ich werde das unter keinen Umständen tun. Das steht nicht einmal zur Diskussion. Drittens bieten Sie mir kein Geld an. Versuchen Sie, mein Interesse auf irgendeine andere Art und Weise zu wecken. Wenn morgen niemand hierherkommt, gehe ich davon aus, daß unser heutiges Gespräch nicht stattgefunden hat, und vergesse es für immer. Wir werden dann annehmen, daß meine Bedingungen nicht in Ihrem Sinn waren und wir uns friedlich getrennt haben.«
* * *
Jura Korotkow war vor Sorge und Unruhe ganz aufgerieben. Als er die Balkontür geöffnet hatte und an der Schwelle stand,
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