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Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen

Titel: Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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und zudem war sie im siebten Monat schwanger. Sie hatte nie ein Kind gewollt und es nur behalten, um den Mann an sich zu binden, der für sie der Feuervogel aus dem Märchen war. Dieser Mann hatte alles, was sie wollte, und sie setzte auf diese Karte mehr, als sie eigentlich besaß. Sie brach kategorisch mit allen anderen Männern und tauschte ihre Wohnung gegen eine andere, da sie im Haus für ihre vielen Liebschaften bekannt war. Der Wohnungstausch verschlang ihre gesamten Ersparnisse und Geldanlagen, denn die neue Wohnung lag mitten im Zentrum (damit ER es nicht so weit zur Arbeit hatte) und war luxuriös auf zwei Ebenen angelegt. Jetzt lag alles nur noch an ihm. Er mußte sich scheiden lassen, damit das neue Leben beginnen konnte. Liebe, Vergnügen, gemeinsame Reisen und andere Freuden.
    Leider stellte sich bald darauf heraus, daß das Objekt ihrer Begierde die Ausreise ins Ausland beschlossen hatte, natürlich zusammen mit seiner gesetzlichen Ehefrau, die seltsamerweise ebenfalls ein Kind erwartete, und das, im Gegensatz zu Irina, nicht zum ersten Mal. Die Qual der Wahl währte für Irinas Geliebten nicht länger als zweieinhalb Minuten. Sie blieb allein zurück, mit einer pompösen Wohnung und einem ziemlich dicken Bauch. Sie besaß keine Ausbildung, keinen Beruf, keine verläßliche Geldquelle, nur die rosige Aussicht auf schmutzige Windeln, schlaflose Nächte, Kinderkrankheiten und Hoffnungslosigkeit.
    An diesem Punkt ihres Lebens erinnerte sie sich an den komischen, linkischen Artjom, der sie schon so lange und rührend liebte. Seit er neunzehn war und sie siebenundzwanzig, hatte sie ihm manchmal ihren freigebigen Körper angeboten wie die Überbleibsel eines üppigen Festmahls, aber Resnikow war ihr auch dafür dankbar gewesen. Es war nicht nötig, ihn zu überreden, er verstand alles bei der ersten Andeutung.
    »Natürlich werden wir heiraten, Ira, und das Kind wird als das meine gelten. Ich werde alles tun, damit das Kind es gut hat. Das Kind und du natürlich.«
    Seither waren vierzehn Jahre vergangen. Und Irina hatte ihre Entscheidung keine Sekunde lang bereut. Sie war jetzt fünfundvierzig, ihr vierzehnjähriger Sohn lebte als Schüler eines Colleges in England, ihr Mann machte große Geldgeschäfte. Mit Dankbarkeit dachte sie an den, der sie verlassen hatte. Jetzt war alles genau so, wie es mit ihm gewesen wäre, mit einem kleinen Unterschied allerdings: der andere hätte sie nicht so zärtlich und hingebungsvoll geliebt wie Artjom. Irina erwiderte die Gefühle ihres Mannes fast uneingeschränkt, sie sorgte sich rührend um ihn, wenn er sich unwohl fühlte, trieb alle denkbaren und undenkbaren Medikamente für ihn auf, brachte ihm das Frühstück ans Bett und hatte immer einen Eisbeutel für ihn bereit.
    »Wie geht es dir, mein Häschen?« fragte sie ihren Mann zärtlich.
    »Geht schon«, brummte Artjom mürrisch.
    »Kann ich dir irgend etwas bringen?«
    »Nicht nötig, ich stehe selbst auf. Gleich kommen Kostyrja und Igor, und etwas später erwarte ich Surik.«
    »Ist etwas passiert?« fragte Irina besorgt. Sie wußte über die kriminellen Machenschaften ihres Mannes bestens Bescheid. »Was wollen sie denn jetzt, mitten in der Nacht?«
    »Kostyrja hat die Spur einer jungen Frau verloren, die wir beschatten«, antwortete Resnikow mit schmerzverzerrtem Gesicht. »Dieser verdammte Blindgänger. Das Weibsbild hat drei Wochen lang den Unschuldsengel gespielt, sie sind darauf hereingefallen und haben nicht mehr genug aufgepaßt. Jetzt haben wir die Bescherung.«
    Als die Gäste erschienen waren, deckte Irina flink den Tisch. Es war eine eiserne Regel im Hause Resnikow, daß der Kühlschrank immer gefüllt sein und für jeden Gast der Tisch gedeckt werden mußte.
    »Jetzt erzähl, was passiert ist«, befahl Artjom mit ruhiger Stimme. »Hast du sie aus den Augen verloren, oder hat sie dich ausgetrickst?«
    »Ich habe mich absolut an die Regeln gehalten«, antwortete Kostyrja bissig. »Zu nah durfte ich ihr ja nicht kommen, meine Fresse ist zu auffällig. Wenn sie irgendein Gebäude betreten hat, habe ich sofort geprüft, ob es irgendwo einen zweiten Ausgang gibt, durch den sie entwischen könnte.«
    Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. An einen möglichen zweiten Ausgang dachte Viktor in der Regel nicht, doch in diesem konkreten Fall hatte sich der Hintereingang des Geschäfts direkt vor seinen Augen befunden, und er hätte schwören können, daß die Goldhaarige und das Bleichgesicht das Geschäft nicht

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