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Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen

Titel: Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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schwaches Herz stehengeblieben. Ich habe mir diesen Berkowitsch gemerkt, weil ich in meinem Bericht den Schlag erwähnt und gewartet habe, daß ein Untersuchungsführer anruft und eine Erklärung verlangt, aber es kam nichts. Dann habe ich aus Neugier noch einmal nachgefragt, aber da hatte man den Ärmsten längst beerdigt. Offenbar ist kein Verdacht aufgekommen, daß es sich hier um ein Verbrechen handeln könnte. Soll ich dir eine Kopie meines Berichts zeigen?«
    »Unbedingt.«
    Nastja kniff fest die Augen zusammen und kreuzte Mittelund Zeigefinger ihrer Hände in den Hosentaschen. Im Grunde war sie nicht gerade abergläubisch, aber manchmal. . . Lieber Gott, mach, daß er es ist, flehte sie. Laß ihn einen hellbraunen Regenmantel getragen haben. Mach, daß auf seiner Unterwäsche Flecken sind. Wenn er es ist, dann müssen da Flecken sein. Ich wünsche mir so sehr, daß ich endlich Glück habe, daß sich in diesem verdammten Fall endlich etwas bewegt. . .
    Während sie hinter Ajrumjan herging, aus dem Seziersaal zu seinem Büro, setzte sie innerlich ihre Beschwörungen fort und hielt die Finger weiterhin überkreuzt. In seinem Büro öffnete Gurgen Artaschesowitsch den Safe und entnahm ihm eine Akte mit den Kopien der Unterlagen.
    »Hier, mein Schleierschwänzchen, sieh nach. Dein Freund Berkowitsch muß übrigens sexuelle Probleme gehabt haben.«
    »Wie kommen Sie darauf?« fragte Nastja flüsternd. Vor Aufregung war ihr die Stimme weggeblieben. Sie hustete kräftig, um den Hals wieder frei zu bekommen.
    »Er hat Spermaflecken auf der Unterhose. Was denkst du, wie kommen Spermaflecken auf die Unterhose eines Mannes, der auf dem Heimweg von der Arbeit ist? Und noch dazu in dieser Menge. Wenn ein Mann, verzeih die Einzelheiten, den Geschlechtsakt ausführt und sich wieder anzieht, ohne geduscht zu haben, finden sich auch Spuren, aber mitnichten solche, das kannst du mir glauben. Eine biochemische Analyse kann uns eine präzise Antwort auf die Frage geben, ob es ein Liebesakt mit einer Frau war oder, pardon, einer mit sich selbst.«
    »Wie war er gekleidet?«
    »Hellbrauner Regenmantel, schwarze Schuhe, ein dreiteiliger dunkelgrauer Nadelstreifenanzug, weißes Hemd, Krawatte, Unterwäsche.«
    Nastja warf ihre Arme in die Luft, mit der triumphierenden Geste eines Fußballspielers, der eben ein Tor geschossen hat, und fiel dem alten, massigen Gerichtsmediziner mit einem leisen Jauchzer um den Hals.
    »Ich habe ihn gefunden! Ich habe ihn wirklich gefunden! Nastja, Nastja, du bist ein As!«
    »Nein, Anastasija Kamenskaja, du bist kein As«, brummte Ajrumjan, während er ihr wohlwollend den Rücken tätschelte, »du bist ganz einfach übergeschnappt. Hast eine drei Wochen alte Leiche gefunden und bist glücklich, als hättest du eine Million Dollar gewonnen.«
    2
    Gegen Abend fühlte Nastja sich völlig zerschlagen. Die alte Weisheit »Wenn’s kommt, dann kommt’s dicke« bewahrheitet sich manchmal auch in der Ermittlungsarbeit, wenn ein Fall sich lange und qualvoll hinzieht, wenn man einfach nicht weiterkommt, wenn alle Anstrengungen sinnlos erscheinen, weil sie offenbar ins Leere gehen, in eine falsche Richtung, wenn der Optimismus mehr und mehr schwindet, wenn es keinen Hoffnungsschimmer mehr zu geben scheint und man aufzugeben beginnt. Und plötzlich, in einer einzigen Sekunde, ändert sich alles, man muß dringend neue Entscheidungen treffen, die Strategie ändern, und alles das muß sehr schnell geschehen. Seltsamerweise kam es meistens bei mehreren Fällen gleichzeitig zum Durchbruch, und an solchen Tagen hatte Nastja das Gefühl, ihr Körper sei ein mit lebendigen Nerven ausgestatteter Computer, der an der Grenze seiner Belastbarkeit arbeitete, es fehlte nur noch eine Winzigkeit, und es würde zu einem Kurzschluß kommen, zu einem endgültigen Zusammenbruch des gesamten Systems. Doch obwohl die Belastung anhielt, funktionierte der Computer fehlerlos weiter, was Nastja jedesmal wieder in Erstaunen versetzte. Die Kraftreserven des Menschen schienen unerschöpflich zu sein. Aber am Abend dieses Tages fühlte sie sich plötzlich halb tot vor Erschöpfung.
    Im Laufe des Tages hatte Denissow angerufen. Nastja hatte nicht erwartet, daß sie sich über seinen Anruf so freuen würde.
    »Wie geht es mit meinen Jungs, wie machen sie ihre Sache? Gibt es irgendwelche Klagen?«
    »Nicht doch, Eduard Petrowitsch, Ihre Jungs sind Spitzenklasse. Wenn wir hier nur ein paar solche hätten wie die«, bekannte Nastja

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