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Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen

Titel: Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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aufrichtig.
    »Versündigen Sie sich nicht, Anastasija, Ihre Leute sind auch nicht schlechter. Nur seid Ihr arm und könnt Euch nicht genug Leute und keine technische Ausrüstung leisten. Es ist ja bekannt, daß der Staat, indem er an Mitteln für die Justiz spart, das Leben seiner Bürger opfert. Wir sparen Geld und verlieren Menschenleben. Das ist die ganze Weisheit.«
    »Sie haben recht, wie immer«, seufzte Nastja.
    »Und wie sieht es aus«, erkundigte sich Denissow, »kommen Sie voran in Ihrer Sache?«
    »Bis jetzt weiß ich es selbst noch nicht. Irgendeine Epidersion, wie Ihr Bokr sagte würde.«
    Denissow lachte.
    »Er hat Sie also auch schon infiziert mit seiner ›Kusdra‹. Er ist mein Goldjunge, sehr gescheit und erfinderisch. Und, Sie werden lachen, geradezu krankhaft ehrlich.«
    »Ach ja? Und seine Verurteilung wegen Raubes?«
    »Das ist lange her. Eine Jugendsünde. Glauben Sie mir, Anastasija, er ist ein guter Junge.«
    »Ein Junge?« lachte Nastja. »Er ist wahrscheinlich genauso alt wie ich, wenn nicht älter.«
    »Ach Kindchen«, seufzte Eduard Petrowitsch gutmütig, »ich bin schon so alt, daß alle unter fünfzig Kinder für mich sind. Bitte geben Sie acht auf Bokr.«
    »Ich werde mir Mühe geben«, versprach Nastja, ohne so recht zu begreifen, was Denissow meinte, in welcher Hinsicht dieser originelle Exsträfling mit den rührenden Söckchen ihrer Fürsorge bedurfte.
    Nastja mußte dringend Dascha Sundijewa treffen, um ihr eine Reihe neuer Fotos zu zeigen, unter denen auch eine Aufnahme von Berkowitsch war. Sie hatte keine Zeit, zum »Orion« zu fahren, deshalb entschloß sie sich, Dascha nach dem Ende des abendlichen Unterrichts in der Universität zu treffen. Nastja hatte keine große Auswahl, was die Begegnungen mit Dascha betraf. Es gab nur das »Orion«, wo sie sich mit ihr als angebliche Kundin in eine Umkleidekabine zurückziehen konnte, und Daschas Wohnung, in der sie mit ihren Eltern zusammenlebte. Hätte Nastja sie dort besucht, wäre es unvermeidlich gewesen, die Eltern in die unverständliche und wenig lustige Geschichte einzuweihen. An öffentlichen Orten bestand die Gefahr, ins Visier der Beschatter zu geraten. Aus denselben Gründen konnte sie Dascha auch nicht zu sich in die Wohnung bitten, es war zu riskant. Blieb nur noch die Universität.
    »Sichern Sie mich bitte ab«, bat sie Bokr, den »Goldjungen«. »Ich möchte sicher sein, daß die Weberschiffchen mein Treffen mit Dascha nicht bemerken.«
    Als Dascha aus dem Vorlesungssaal trat, erwartete der helläugige Surik sie bereits vor dem Raucherzimmer, wo er sich unter die Studenten gemischt hatte. Sie war schon auf gleicher Höhe mit ihm, als ein sympathisches Dickerchen mit Brille sie anrief.
    »Sundijewa! Dascha! Du hast ein Loch hinten in der Strumpfhose. Sooo ein großes!«
    Dascha verbog sich nach hinten und warf einen Blick auf ihre Beine. In der schwarzen Strumpfhose prangte tatsächlich ein riesiges Loch.
    »Verdammt«, murmelte sie ärgerlich. »Hast du Nadel und Faden?«
    »Halt mal!« Das Dickerchen öffnete seine Aktentasche und entnahm einem Necessaire eine schwarze Garnrolle und eine Nadel.
    Dascha blickte um sich, mit den Augen ein stilles Eckchen suchend.
    »Geh am besten in den Hörsaal 17«, riet ihr das Dickerchen, »da ist jetzt niemand.«
    »Und wenn jemand reinkommt?« fragte Dascha zweifelnd. »Stell dir vor, der Rektor taucht auf, und ich sitze da und flicke meine Strumpfhosen. Oder, noch besser, ich stehe mit erhobenem Rock vor ihm.«
    »Ich komme mit und stehe Schmiere. Gehn wir!« Das Dickerchen zog Dascha entschlossen mit sich, zu der Tür, auf der mit weißer Kreide die Zahl 17 stand.
    Von seinem Posten neben dem Raucherzimmer hatte Surik das Dickerchen gut im Auge, das die Tür zum Hörsaal bewachte. Ein junger Mann und ein Mädchen wollten den Hörsaal betreten, doch das Dickerchen versperrte ihnen entschieden den Weg, es sagte etwas und formte mit Daumen und Zeigefinger einen eindrucksvollen Kreis, der offenbar die Größe des Lochs in Daschas Strumpfhose beschreiben sollte. Alle drei lachten, und das Paar entfernte sich wieder.
    Dascha erkannte Berkowitsch auf den ersten Blick.
    »Das ist er«, sagte sie, während sie das Foto mit spitzen Fingern ergriff, so als würde sie befürchten, sich schmutzig zu machen. In ihr anmutiges Gesicht trat ein Ausdruck solchen Ekels, als würde sie eine Kröte berühren.
    Nastja begann, die auf dem Tisch ausgebreiteten Fotos wieder einzusammeln, während

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