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Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen

Titel: Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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sie sich hier jederzeit mit Sascha treffen konnte, ohne auf die diskrete Großzügigkeit seiner Freunde angewiesen zu sein.
    Nach dem Gespräch mit seiner Halbschwester hatte Sascha sich auffällig verändert. Zweifellos gefiel ihm Dascha, mehr noch, er war bis über beide Ohren in sie verliebt, wie Nastja ganz richtig erkannt hatte, aber da er ein für alle Mal zu dem Schluß gekommen war, daß es Gegenseitigkeit in der Liebe für ihn nicht geben konnte, verhielt er sich zurückhaltend, er versprach Dascha nichts, redete mit ihr nicht über die Zukunft und sagte ihr niemals ein zärtliches Wort. Dascha jedoch gestand ihm ohne jede Scheu ihre Liebe, sie schmiegte sich an ihn und sah ihm hingebungsvoll in die Augen, so als würde sie seine Zurückhaltung und Kälte gar nicht bemerken. Sascha, der offene Gefühlsäußerungen nicht gewohnt war, hielt seine Freundin insgeheim für ein bißchen dumm. Erst nachdem Nastja ihm die Leviten gelesen hatte, war er plötzlich zur Besinnung gekommen. Das, was er bisher für kindliche Naivität und Dümmlichkeit gehalten hatte, erschien plötzlich in einem ganz anderen Licht. Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen. Dascha liebte ihn! Ihn, der als Kind immer nur die Kakerlake und der Spulwurm gewesen war. Guter Gott, was für ein Glück!
    »Trotzdem verstehe ich nicht, wozu dieses ganze Theater nötig ist«, sagte er starrsinnig. »Man hätte doch einfach den Anschein erwecken können, daß du weggefahren bist.«
    »Aber nein, Sascha, versteh doch«, versuchte Dascha zu erklären, während sie zärtlich seine Schultern und seinen Rücken streichelte. »Wenn wir sie glauben gemacht hätten, daß ich weggefahren bin, hätten sie auf meine Rückkehr gewartet. Weiß man denn, was sie im Sinn haben? Aber so gibt es mich einfach nicht mehr. Man hat mich umgebracht. Und damit hat es sich.«
    »Und warum hat man die Mädchen morgens um vier auf sie gehetzt?«
    »Du bist wirklich begriffsstutzig, Sascha«, lächelte Dascha. »Man mußte verhindern, daß irgendwelche Zweifel in ihnen aufkommen, man mußte ihnen zu verstehen geben, daß es Leute gibt, die mich ermorden wollen. Man hat sie ordentlich ins Bockshorn gejagt, und dann ist das passiert, was sie bereits erwartet hatten. Verstehst du jetzt?«
    »Oh, wie gut das tut!« Sascha rekelte sich wohlig auf dem Bett. »Bitte streichle mich doch noch einmal zwischen den Schulterblättern. Ja, hier. Oh, was für eine Wohltat! Übrigens, warum hat man das Theater eigentlich um vier Uhr morgens veranstaltet? Wäre es nicht auch am Tag gegangen?«
    »Wo denkst du hin?!« protestierte Dascha. »Erstens hätte man sie am Tag wahrscheinlich nicht zu Hause angetroffen. Und zweitens war auch das genau durchdacht. Jemand, der morgens um vier aus dem Bett geklingelt wird, öffnet die Tür in Unterhosen, in Pantoffeln oder gar barfuß. Die Mädchen haben gesagt, was zu sagen war, und sie in ihrer Verblüffung zurückgelassen. In der Unterhose konnten sie ihnen ja schlecht hinterherlaufen. Außerdem schlafen die meisten Menschen um vier Uhr morgens sehr tief, und wenn sie geweckt werden, dauert es eine Weile, bis sie zu sich kommen. Das hat sich alles deine Schwester so ausgedacht. Sie ist schrecklich gescheit!«
    »Und die drei gleichen Mädchen hat sie sich auch ausgedacht?« fragte Sascha träge, während er sich auf den Rücken drehte und seinen Körper in die bequemste Lage brachte.
    »Ja, natürlich. Die Idee war von ihr, die Ausführung von mir. Zuerst ging es ja darum, einen Mann so herzurichten, daß er aussah wie der Lustmolch aus der Metro. Und während ich ihn schminkte, fragte Anastasija Pawlowna mich, ob es auch möglich sei, aus drei verschiedenen Frauen drei gleiche zu machen. Ich sagte, das sei ganz einfach. Man muß die Leute nur so zurechtmachen, daß ihre äußere Aufmachung von den Gesichtern ablenkt. Es ist zwar möglich, drei Frauen mit ähnlichen Gesichtern zu finden, aber ganz einfach ist es nicht. Deshalb mußten wir die drei verschiedenen Frauen so zurechtmachen, daß ihnen niemand ins Gesicht schaut. Weißt du, es gibt Gesichter, die sich besser für ein Farbfoto eignen, und solche, die man schwarzweiß fotografieren muß. Beim Schwarzweißfoto ist es wichtig, daß die Gesichtszüge der Person ebenmäßig und schön sind. Wenn eine Frau zum Beispiel Augen und Haare von auffallend schöner Farbe hat, aber alles andere an ihr eher gewöhnlich ist, wird sie auf einem Schwarzweißfoto uninteressant aussehen. So eine Frau muß man

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