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Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen

Titel: Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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unbedingt in Farbe fotografieren, um das Schöne an ihr hervorzuheben und das Gewöhnliche oder Unschöne zu verstecken. Und umgekehrt. Wenn eine Frau sehr schöne Gesichtszüge hat, der Rest aber eher unscheinbar ist, wird sie auf einem Schwarzweißfoto sehr viel vorteilhafter aussehen, weil hier die Konturen besser zur Geltung kommen. In unserem Fall mußten wir auf Farbe setzen, um die Konturen zu verbergen. Verstehst du? Leuchtend rotes Leder zieht sofort die Aufmerksamkeit auf sich, es wirkt aggressiv und aufreizend. Stell dir so eine Gestalt vor: von Kopf bis Fuß in rotem Leder, die oberen Blusenknöpfe stehen offen und zeigen den Brustansatz. Kein einziger normaler Mann sieht einer solchen Frau ins Gesicht. Wir haben ihnen die gleichen Perücken aufgesetzt, die Augen schwarz geschminkt und allen dreien mit einem grellen Lippenstift denselben Mund gemalt, das ist ganz einfach. Zuerst wird das ganze Gesicht einschließlich der Lippen grundiert, dann malst du mit dem Konturenstift darauf, was du willst und verwendest einen möglichst grellen Lippenstift, das ist das ganze Geheimnis. Du kannst dich darauf verlassen, daß an so einem Gesicht niemand mehr irgendwelche Besonderheiten erkennen wird. Zumal die Typen ja Angst hatten, und der Person, vor der man Angst hat, sieht man nie ins Gesicht. Jedes Mädchen hat hinterher erzählt, daß keiner von den dreien die Augen höher gehoben hat als bis zu ihrem Ausschnitt. Genau darauf hat Anastasija Pawlowna gesetzt. Und deshalb auch bei allen dreien der gleiche Anhänger mit der fehlerhaften Stelle.«
    »Sag mal, warum nennst du sie eigentlich immer Anastasija Pawlowna? Sie ist doch keine Fremde für dich, sondern meine Schwester.«
    »Aber wie könnte ich . . .!« Dascha verschluckte sich fast vor Empörung. »Sie ist so . . . sie ist fast der beste Mensch der Welt. Ich könnte sie niemals einfach beim Vornamen nennen.«
    »Was meinst du mit fast?« fragte Sascha argwöhnisch und hob den Kopf ein wenig vom Kissen. »Gefällt dir irgend etwas nicht an ihr?«
    »Aber nein, Sascha. Der beste Mensch der Welt bist du, und Anastasija Pawlowna ist der zweitbeste. Soll ich dir Tee bringen?«
    »Ja, bring mir welchen«, sagte Sascha mit einem Gefühl der Dankbarkeit. Er konnte nicht aufhören, sich über seine Blindheit und sein Glück zu wundern.
    Bevor er die Wohnung verließ, umarmte er Dascha und fragte zögernd:
    »Dascha, wirst du warten, bis ich meine Familienangelegenheiten geklärt habe? Ich verspreche dir, daß ich die Sache nicht in die Länge ziehen werde. Bitte warte solange, und verlaß mich nicht!«
    »Natürlich warte ich«, antwortete Dascha mit einem Lächeln. »Nimm dir soviel Zeit, wie du brauchst. Ich habe keine Eile.«
    2
    Der Raum war erfüllt von gleichmäßigem, halblautem Stimmengewirr, wie immer bei Dienstvorbereitungen. Keiner hörte keinem wirklich zu, jeder tat nur seine Schuldigkeit und saß die Zeit ab, nutzte sie dazu, sich mit befreundeten Kollegen zu unterhalten, zu lesen, irgendein längst fälliges Schriftstück aufzusetzen oder einfach nachzudenken.
    Nastja saß in der letzten Reihe und unterhielt sich im Flüsterton mit ihrem Kollegen Jura Korotkow über die Wechselfälle seiner letzten Affäre, die sich bereits seit zwei Jahren hinzog, was für den Frauenhelden Jura ein wahrhaft olympischer Rekord war.
    »Ihr Mann setzt ihr zu, weil sie keine Lust hat, mit ihm auf die Datscha zu fahren«, teilte Korotkow in tragischem Flüsterton mit.
    »Warum hat sie denn keine Lust?«
    »Weil man zwei Stunden mit der Bahn fahren und dann noch eine halbe Stunde zu Fuß gehen muß. Es gibt kein fließendes Wasser, keinen Strom. Was soll sie dort?«
    »Warum hat sie denn eine Datscha gekauft, wenn sie sie nicht nutzen will?«
    »Die hat nicht sie, die hat ihr Mann gekauft. Und jetzt zwingt er sie, ihm dort Gesellschaft zu leisten.«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Nastja.
    »Was verstehst du nicht?«
    »Ich verstehe nicht, wie man eine erwachsene Frau zu etwas zwingen kann, das sie nicht will. Sie wollte die Datscha nicht und hat das Recht, zu Hause zu bleiben. Sie sollte ihrem Mann einen Tritt in den Hintern geben und damit basta.«
    »Du hast leicht reden, du warst immer unabhängig«, seufzte Korotkow. »Wärst du verheiratet, dann wüßtest du, daß es nicht so einfach ist mit dem Tritt in den Hintern. Besonders dann, wenn du weißt, daß du schuldig bist, daß du heimlich sündigst.«
    »Dann soll sie sich nicht beschweren. Entweder Datscha oder

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