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Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe

Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe

Titel: Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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sagte eine junge Angestellte, die für die Geburtenregistrierung zuständig war, zögerlich.
    »Versuchen Sie bitte, sich zu erinnern, wann genau«, forderte Mischa sie hoffnungsvoll auf.
    Er wollte unbedingt jemanden finden, der sich wenigstens an irgend etwas erinnerte, so gering das Detail auch sein mochte. Das Vergessene wieder zurückzurufen, würde dann nur eine Frage der Technik sein, und die beherrschte Mischa ausgezeichnet.
    Das Mädchen schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht.«
    »Was ist Ihnen an dieser Frau bekannt vorgekommen? Das Gesicht? Die Augen? Die Frisur? Vielleicht das Kleid?« fuhr Dozenko mit seiner Befragung fort.
    »Ich kann es Ihnen nicht sagen. Ich erinnere mich wirklich nicht. Ich weiß nur noch, daß ich sie gesehen und mich gefragt habe, was sie eigentlich hier macht.«
    »Sehr interessant«, sagte er erfreut. »Und warum haben Sie sich gefragt, was sie hier macht?«
    »Ich weiß es nicht. Ich erinnere mich, daß ich mich danach gefragt habe. Aber warum – das weiß ich nicht mehr.«
    »Gut, versuchen wir, die Sache anders anzugehen. Wenn Sie hier eine junge Frau und einen jungen Mann sehen, was denken Sie dann?«
    »Daß sie gekommen sind, um sich trauen oder scheiden zu lassen.«
    »Und wenn es eine Frau mit einem etwa fünfjährigen Kind ist?«
    »Dann werde ich denken, daß sie gekommen ist, um den Familiennamen des Kindes ändern zu lassen. Spielen Sie Rätselraten mit mir?«
    »Warum nicht? Es ist doch ein sehr hübsches Spiel«, sagte Mischa mit einem entwaffnenden Lächeln. »Was denken Sie, wenn Ihnen hier eine Greisin entgegenkommt?«
    »Daß sie irgendein wichtiges Dokument verloren hat und nun eine Kopie haben möchte. Schließlich wird sie nicht zum Heiraten kommen oder um die Geburt eines Kindes anzumelden«, sagte das Mädchen lachend.
    »Und warum ist Ihnen zu der Frau auf dem Foto nichts eingefallen? Warum könnte sie zum Beispiel nicht wegen einer Sterbeurkunde gekommen sein?«
    »Ihr Gesichtsausdruck war. . .« Sie stockte und suchte nach dem richtigen Wort.
    »Wie war ihr Gesichtsausdruck?«
    »Nun ja. . . anders eben. Nicht wie bei jemandem, der einen nahestehenden Menschen verloren hat. Die Sterbeurkunden werden ja nur nahen Verwandten ausgehändigt. Und deren Gesichter sehen ganz anders aus, wenn sie hierherkommen.«
    »Und wie hat das Gesicht der Frau ausgesehen?«
    »Versteinert. Irgendwie gleichgültig, völlig in sich gekehrt. Sie wirkte weder niedergeschlagen noch glücklich . . . Wissen Sie, das Standesamt ist ein besonderer Ort. Sie haben vielleicht noch nicht darüber nachgedacht, aber zu uns kommen nur Menschen in besonderen Lebenssituationen. Wir sind zuständig für die großen Ereignisse im Leben eines Menschen. Ob Heirat oder Scheidung, Geburt oder Tod – bei uns geht es immer um Glück oder Unglück, Freud oder Leid. Gleichgültige Gesichter sehen wir hier eigentlich nie. Verstehen Sie mich? Das Gesicht dieser Frau war. . . Aber was rede ich. Schauen Sie doch selbst, sie hat genau so ausgesehen wie auf diesem Foto.«
    Das Mädchen hatte recht. Das Gesicht auf dem Foto hatte einen abwesenden, seltsam angespannten Ausdruck, es wirkte wie erfroren. In den langen Jahren seiner Laufbahn als Ermittlungsbeamter hatte Mischa schon oft so ein Gesicht gesehen. So sahen psychisch kranke Menschen aus.
    * * *
    Nastja betrat zögernd die Wohnung. Sie war darauf vorbereitet, einem tödlich beleidigten Tschistjakow zu begegnen und unangenehme Erklärungen abgeben zu müssen. Aber zu ihrem großen Erstaunen dachte Ljoscha gar nicht daran, ihr zu grollen, weil sie, anstatt die Flitterwochen mit ihm zu beginnen, sofort wieder zur Arbeit gerannt war.
    Ljoscha saß in der Küche und legte die Patience »Napoleons Grab«. Auf dem Küchenherd standen zugedeckte Pfannen, Nastja stieß ein betörender Geruch in die Nase.
    »Wonach riecht es hier?« fragte sie fröhlich und streckte ihre Hand nach einem der Deckel aus.
    Ljoscha drehte sich um und gab ihr einen scherzhaften Klaps auf die Hand.
    »Weg mit deinen ungewaschenen Händen! Neugierige werden hier nicht bedient.«
    »Und wer wird hier bedient?«
    »Brave Mädchen, die zu Hause sitzen und ihren Ehemännern die Hemden waschen.«
    »Heißt das, daß ich jetzt Hungers sterben muß?« empörte sich Nastja. »Ich bin schon zu alt, aus mir wird kein braves Mädchen mehr. Wie geht doch gleich das ukrainische Sprichwort? Was du vom Markt nach Haus getragen, iß gefälligst ohne Klagen. Du

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