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Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe

Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe

Titel: Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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fotografieren, daß sie möglichst vorteilhaft aussah. Eine Aufnahme erschien ihm besonders gelungen: Olga kaufte Bananen bei einem Straßenhändler, und Anton war es geglückt, sie in genau dem Moment zu knipsen, als sie mit ausgestreckter Hand das Wechselgeld entgegennahm. Wahrscheinlich hatte sie den Verdacht, daß der Händler sie betrügen wollte, denn ganz offensichtlich versuchte sie, im Kopf nachzurechnen, ob das Gewicht der Bananen, das der Händler ihr genannt hatte, tatsächlich der Summe von genau zehntausend Rubel entsprach, die er von ihr verlangt hatte. Jedenfalls wirkte sie in diesem Moment angespannt und sogar etwas verängstigt.
    Am selben Abend traf Anton sich mit Selujanow und fuhr mit zu ihm nach Hause, wo Nikolaj in der Abstellkammer seiner Wohnung ein winziges Fotolabor eingerichtet hatte.
    »Oho!« sagte Anton verwundert, als er Selujanows simple, aber penibel gepflegte Einrichtung betrachtete.
    »Man tut, was man kann«, sagte Nikolaj schulterzuckend. »Ohne List und Tücke kommt man bei uns zu nichts. Nur unsere Nastja schafft es, Verbrechen aufzuklären und dabei ehrlich zu bleiben.«
    »Du meinst die Kamenskaja?« erkundigte sich Schewzow.
    »Genau die.«
    »Warum schafft sie es denn, ehrlich zu bleiben, und du nicht? Was ist Besonderes an ihr?«
    »Das weiß der Teufel«, lächelte Selujanow. »Sie ist wahrscheinlich eine gute Schauspielerin. Sie sagt die Wahrheit so, als würde sie lügen, und deshalb glaubt ihr keiner. Das Resultat ist dasselbe, nur kann man ihr nichts vorwerfen.«
    »Wie meinst du das?« wollte der Fotograf wissen. »Das ist mir zu hoch.«
    »Einfacher geht es nicht. Du kommst zum Beispiel nach Hause, und deine Frau fragt dich, ob du zu Mittag gegessen hast. Du warst an diesem Tag bei deiner Geliebten und bist von ihr bestens verköstigt worden, aber du weichst dem Blick deiner Frau aus und murmelst: ›Was sagst du? Ach so. Ja, ich habe gegessen, natürlich, mach dir keine Mühe.‹ Das ist alles, das Ziel ist erreicht. Deine bessere Hälfte ist zutiefst überzeugt davon, daß du den ganzen Tag auf den Beinen warst und nicht dazu gekommen bist, auch nur einen Bissen zu dir zu nehmen. Sie bedauert und liebt dich. Du hast sie angelogen und dabei die volle Wahrheit gesagt. Das ist alles.«
    »Nicht schlecht«, lachte Anton. »Und warum gelingt dir das nicht?«
    »Ich weiß es nicht. Mir fehlen dazu offenbar das Talent und die Geistesgegenwart. Nastja erfaßt die Situation im Flug und reagiert sofort darauf, während ich erst Stunden später begreife, was ich hätte sagen sollen. Aber macht nichts, ich habe meine eigenen Tricks. Willst du etwas essen, oder sollen wir gleich zur Tat schreiten?«
    »Laß uns das eine mit dem anderen verbinden. Während der Film im Entwickler liegt, können wir einen Happen essen, wenn es dir nichts ausmacht, und die zweite Pause machen wir dann, während der Film trocknet.«
    Selujanow war sehr zufrieden mit Antons Arbeit, aber den Grund dafür begriff Anton erst, als Nikolaj ihm die Aufnahmen zeigte, mit denen die Fotos von der Jemeljanzewa montiert werden sollten. Olga sollte darauf mit verschiedenen Männern zu sehen sein, von denen sie irgendwelche kleinen Päckchen entgegennahm. Für diesen Zweck war das Foto, auf dem Olga die Hand nach dem Wechselgeld des Straßenhändlers ausstreckte, geradezu ideal. Nun mußte man die Frau nur noch in andere Kleider stecken, dann war die Sache perfekt.
    »Was ist der Sinn der Sache?« fragte Schewzow. »Wozu machen wir das?«
    »Eine Finte, was sonst«, scherzte Selujanow. »In unserem Beruf gibt es ein ganz einfaches Gesetz: Um die Wahrheit zu erfahren, mußt du lügen. Laß uns noch eine Tasse Kaffee trinken, solange die Aufnahmen trocknen.«
    »Für mich bitte Tee, wenn du welchen hast«, bat Anton. »Ich darf keinen Kaffee trinken.«
    »Warum denn nicht? Bist du krank?«
    »Koronare Herzkrankheit.«
    »Was du nicht sagst? Du bist doch noch so jung«, wunderte sich Nikolaj.
    »Das habe ich schon von Kindheit an. Schau mich nicht an, als wäre ich ein Krüppel«, lachte der Fotograf. »Ich bin es gewohnt, man hat mich mit dieser Krankheit sogar beim Militär genommen. Ich kann gut meiner Arbeit nachgehen und merke es kaum. Etwa alle zwei Monate erwischt es mich, dann muß ich ein paar Tage liegen, und die Sache hat sich. Es ist nicht lebensgefährlich.«
    Selujanow brühte frischen Tee auf, machte ein paar belegte Brote, holte eine Flasche Cognac aus dem Schrank und sah seinen Gast unsicher

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