Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
Klammern von der Leine ab, an der die immer noch etwas feuchten Abzüge hingen. Auf den Fotos erblickten sie Olga Jemeljanzewa und zwei Männer mit sehr imposantem Äußeren. Die Männer überreichten der Frau irgendwelche Pakete, und sie nahm sie mit angestrengtem Gesichtsausdruck und einem ängstlichen Lächeln entgegen.
Morgen würde Selujanow mit Hilfe dieser Fotos sehr schnell herausfinden, wo Marat Latyschew wirklich zu dem Zeitpunkt war, als die beiden Frauen auf den Moskauer Standesämtern ermordet wurden.
* * *
Veronika Matwejewna hörte bereits auf der Treppe, daß in ihrer Wohnung das Telefon läutete. Sie holte hastig die Schlüssel aus ihrer Handtasche, schloß die Tür auf und lief zu dem schrillenden Apparat.
»Guten Abend, Veronika Matwejewna«, sagte eine angenehme Männerstimme in der Leitung.
»Guten Abend, Marat.«
»Wie geht es Ihnen?«
»Es geht so. Ich hatte Besuch von der Miliz.«
»Ich ebenfalls. Man wollte von mir wissen, was ich am letzten Samstag gemacht habe.«
»Und was hast du gesagt?«
»Ich habe gesagt, daß ich zu Hause war, zusammen mit Olga. Hat man Sie auch danach gefragt?«
»Nein. Wem käme es in den Sinn, eine alte Frau wie mich zu verdächtigen. Und es gibt ja auch keinen Grund. Für dich ist es schwieriger.«
»Das ist wahr«, sagte Marat mit einem Lachen. »Nun ja, Veronika Matwejewna, wollen wir das Beste hoffen. Vielleicht haben wir Glück. Können Sie mir etwas Neues berichten?«
»Ich glaube, morgen nachmittag wollen Valerij und Elja auf die Datscha fahren.«
»Ja?« sagte Latyschew erfreut. »Das ist gut. Das ist sehr gut.«
»Was soll denn gut daran sein? Glaubst du denn, uns wird ein Monat genügen, um sie umzustimmen?«
»Wir werden es versuchen, Veronika Matwejewna. Wenn sie auf die Datscha fahren, werde ich ebenfalls dort auftauchen und ihnen die Suppe versalzen. Nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich werde Ihren Sohn ein wenig erniedrigen müssen vor seiner Braut. Zwei Wochen haben uns nicht gereicht, aber jetzt haben wir noch Zeit. Und vergessen Sie nicht: Wie immer die Sache ausgeht – ich stehe in Ihrer Schuld.«
»Ich danke dir, Marat«, sagte die Frau mit einem Seufzer.
»Keine Ursache. Ich danke Ihnen.«
Veronika Matwejewna legte ohne Eile ihren Mantel ab und begann, sich ein einfaches Abendessen zuzubereiten. Das Essen für Valerij war bereits fertig. Zwei appetitliche Koteletts mit Bratkartoffeln. Selbst konnte sie sich so einen Luxus nicht leisten, teures Fleisch kaufte sie nur für ihren Sohn und ging sehr sparsam damit um. Ihre eigene Mahlzeit bestand meist aus billigen Teigwaren, die sie mit etwas Margarine und Zucker aß. Macht nichts, sagte sie sich, während sie die kochenden Nudeln abgoß, wenn alles vorbei ist, wird Marat mir Geld geben, wie er es versprochen hat. Viel Geld. Es wird genügen, um sich von diesem nichtsnutzigen Pascha loszukaufen und ein einigermaßen anständiges Leben zu führen. Gott im Himmel, wie müde war sie dieser ewigen Armut.
SIEBTES KAPITEL
Olga Jemeljanzewa hatte es in ihrem ganzen Leben nur zweimal mit der Miliz zu tun gehabt. Einmal, als sie ihren ersten Paß abholte, und zum zweiten Mal, als sie ihre Wohnung wechselte und sich polizeilich ummelden mußte. Deshalb reagierte sie auf den Besuch des nicht sehr groß gewachsenen, schon etwas kahlköpfigen Kripobeamten gleichzeitig mit Neugier und einer gewissen Angst. Er erschien unangemeldet, und Olga lobte sich innerlich wieder einmal dafür, daß ihre Wohnung immer picobello war und daß sie zu Hause nie in schlampigen Kleidern herumlief, sondern meistens in einem eleganten Hausanzug. Das hatte sie sich angewöhnt, seit Marat begonnen hatte, Bartoschs Tochter den Hof zu machen. Vorher hatten sie sich zu ihren Treffen immer verabredet, aber seit Marat mit seiner Brautwerbung um Elena beschäftigt war, wußte man nie, wann er einmal Zeit fand, um unverhofft bei seiner alten Freundin aufzutauchen. Seine Besuche waren sehr unregelmäßig geworden, und Olga, die insgeheim immer noch auf die Fortsetzung ihrer Beziehung mit Marat hoffte, hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, rund um die Uhr für ihn bereit zu sein.
Der Kripobeamte, der sich als Nikolaj Selujanow vorgestellt hatte, bat höflich, Platz nehmen zu dürfen, und breitete vor Olga einige Fotos aus.
»Sagen Sie bitte, wer sind diese Männer, mit denen Sie sich getroffen haben?« begann er das Gespräch.
Das Mädchen sah die Aufnahmen aufmerksam an. Die Frau, die darauf zu sehen war, war ihr
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