Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers
mich ausreden. Mir ist dieses Gespräch ebenso unangenehm wie dir, deshalb möchte ich es so schnell wie möglich beenden. Ich bitte dich, Nastja, zwinge mich nicht, an dir zu zweifeln. Weißt du, was Eifersucht ist? Ich vermute, du weißt es nicht. Aber ich weiß es sehr gut. Und wenn ich schweige und dich nichts frage, dann bedeutet das nicht, dass ich nichts bemerke und nichts spüre. Mir ist genau aufgefallen, dass zwei Monate vor unserer Hochzeit etwas mit dir passiert ist. Und etwa einen Monat später war es vorbei, auch das habe ich deutlich gespürt. Aber du ahnst nicht, was ich in diesem Monat durchgemacht habe. Deshalb bitte ich dich, mich das alles nicht noch einmal durchmachen zu lassen, insbesondere dann, wenn es dafür keinen Grund geben sollte. Ich glaube dir, dass dieser Mann nicht dein Liebhaber ist. Ich glaube dir, weil du es gesagt hast. Aber ich habe gesehen, wie durcheinander du nach dieser Dienstreise warst, und ich kann mich noch gut an die Gespräche erinnern, die wir in dieser Küche geführt haben. Du hast dich ständig gefragt, ob du keinen Fehler gemacht hast und ob du nun vielleicht für diesen Fehler bezahlen musst. Aber du hast mir bis heute nicht gesagt, um welchen Fehler es ging, du überlässt mich meinen Vermutungen. Hättest du mir gesagt, dass er hier übernachtet hat, wäre es mir nicht in den Sinn gekommen, mir deshalb Sorgen zu machen. Versteh mich, Nastja, ich verlange keinerlei Erklärungen von dir. Ich bitte dich nur, so etwas nicht mehr zu machen. Verheimliche mir nichts, was du nicht unbedingt verheimlichen musst. Lass es nicht so weit kommen, dass ich verrückt werde vor Zweifeln und Eifersucht, wenn es dafür keinen Grund gibt.«
»Gut, ich verspreche es dir«, sagte Nastja fügsam. Ihr Mann hatte Recht, sie konnte ihm nicht widersprechen.
* * *
Kaum hatte Nastja am nächsten Morgen die Schwelle ihres Büros überschritten, rief Gordejew sie zu sich. Sie zog ihre Jacke aus, warf sie auf den Schreibtisch, strich sich mit einer Bürste schnell durchs Haar, das der Wind auf den zugigen Bahnsteigen der Metro zerzaust hatte, und ging zu ihrem Chef.
»Ich habe vier Neuigkeiten für dich«, verkündete Viktor Alexejewitsch. »Eine schlechte, eine sehr schlechte mit etwas Gutem daran, eine neutrale und eine ganz ausgezeichnete. In welcher Reihenfolge soll ich die Gerichte servieren?«
»Zuerst das ungenießbarste«, seufzte Nastja. »Jetzt am frühen Morgen habe ich noch Kraft und werde versuchen, alles in Tapferkeit und Würde zu ertragen.«
»Vorhin hat Konowalow angerufen. Der Henker hat wieder zugeschlagen.«
»Verdammt!«, entfuhr es Nastja. »Wir waren nicht schnell genug. Wo ist es diesmal passiert?«
»Genau da, wo du es vorhergesehen hast. Das ist das Gute daran. Konowalow hat gesagt, dass du noch vier weitere Regionen im Auge hattest, in denen der Henker aktiv werden könnte. Er erwartet dich heute Nachmittag und wird dir weitere Daten zeigen.«
»Alles klar. Jetzt bitte die schlechte Nachricht ohne das Gute.«
»Konowalow, der ohne dich nicht mehr leben kann«, sagte Gordejew, der das Sticheln nicht lassen konnte, »hat mich gebeten, dir auszurichten, dass über kein einziges Opfer des Henkers irgendwelche operativen Erkenntnisse vorliegen. Keine von diesen Personen wurde jemals überprüft. Verstanden, Kindchen? Keine einzige.«
»Dann habe ich mich getäuscht«, bilanzierte Nastja lakonisch. »Aber ein negatives Ergebnis ist auch ein Ergebnis, weil man auch daraus nützliche Schlüsse ziehen kann. Dann ist unser Henker offenbar doch keiner von unseren Kollegen. Schade nur um die viele Arbeit, die jetzt für die Katz ist. Was bin ich nur für eine Idiotin. Ich hätte das gleich zu Anfang überprüfen müssen, aber ich bin erst gestern auf diesen Gedanken gekommen.«
Sie ärgerte sich so über sich selbst, dass ihre Wangen rot aufflammten und ihre Stimme zitterte. Aber Oberst Gordejew tat so, als bemerkte er nichts, er versuchte nicht, Nastja zu trösten. Dafür kannte er sie zu gut.
»Was darf ich als Nächstes servieren?«, fragte er heiter.
»Das Neutrale. Nach der bitteren Speise würde ich gern ein ganz einfaches Stück Brot zu mir nehmen.«
»Das Auto, das unter deinem Balkon übernachtet hat, gehört einem gewissen Herrn Grigorij Valentinowitsch Tschinzow, einem Mitarbeiter der Duma. Er ist nur ein kleines Rädchen im Getriebe und verfügt über keine große Macht. Einzelheiten über Charakter und Privatleben bekommst du noch. Was ist, Nastjenka,
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