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Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers

Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers

Titel: Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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musste. Aber das alles ist erst die Vorspeise, Kindchen. Weißt du, woraus das Hauptgericht besteht?«
    Gordejew reichte Nastja ein Blatt Papier.
    »Hier, lies. Und überprüfe dabei gleichzeitig dein eigenes Gedächtnis. Ein kleiner Test für dich.«
    »Was ist das?«, fragte sie, während sie nach dem Blatt griff.
    »Ein Auszug aus dem Vernehmungsprotokoll. Lies, was Basanows Mutter noch gesagt hat.«
    Nastja überflog schnell die Zeilen. Sie hatte sofort Korotkows große, unschöne, aber gut leserliche Handschrift erkannt. Ein etwa vierzigjähriger Mann, las sie, dunkler Typ, langes, gelocktes Haar, wie Makarewitsch, der Popsänger. Er trug eine getönte Brille und war nicht sehr groß, kleiner als Kyrill. Sehr gut gekleidet, teuer, aber nicht auffällig.
    »Das ist ja ein Ding«, murmelte Nastja und ließ das Blatt auf die Knie sinken. »Die Überraschung ist Ihnen gelungen. Das ist doch der Mann, der im Hotel Rossija gesehen wurde, als Jurzew starb.«
    »Zieh keine voreiligen Schlüsse«, ermahnte Gordejew Nastja. »Ob es wirklich derselbe ist, wissen wir noch nicht, obwohl die Personenbeschreibungen sich sehr gleichen. Heute Nachmittag werden Basanows Mutter und einige von den Leuten hier erscheinen, die auf dem Empfang im Rossija waren. Wir werden versuchen, mit ihrer Hilfe ein Phantombild zu erstellen, es anschließend Basanow zusammen mit einigen anderen Bildern zeigen und ihn fragen, ob der Mann dabei ist, der ihn auf der Straße angesprochen hat. Das soll vorläufig aber nicht deine Sorge sein, das wird Dozenko machen. Und du, Kindchen, denk einstweilen über Folgendes nach: Basanow ist zwar kein großes Licht, ganz im Gegenteil, aber irgendeine ganz einfache Logik muss in seinen Gedanken und Handlungen trotzdem zu finden sein. Ich meine wirklich die allereinfachste Logik, die jeder verstehen kann, der ein bisschen gesunden Menschenverstand besitzt. Wäge ab, wo er lügt und wo er die Wahrheit sagt, überlege, was daraus folgt und wie wir seine Aussagen überprüfen können. Um drei Uhr erwartet dich Konowalow, aber vorher möchte ich dich sehen und hören, was dir dazu eingefallen ist.«
    Nastja kehrte in ihr Büro zurück, hängte die achtlos auf den Schreibtisch geworfene Jacke in den Schrank, setzte Kaffeewasser auf und holte mit nachdenklichem Gesichtsausdruck die Papiere aus ihrer großen Tasche, die sie am Vortag bei Konowalow im Ministerium abgeholt hatte. In einem Anfall von Wut begann sie, die Blätter in kleine Fetzen zu reißen, die langen Listen und Tabellen, die sie mit so viel Mühe und Sorgfalt zu Hause auf dem Computer erstellt hatte. Du dumme Gans! Du hirnlose Idiotin, murmelte sie erbittert, während sie die Fetzen in den Papierkorb warf. Warum ist dir das nicht schon gestern eingefallen? Zuallererst hättest du dich davon überzeugen müssen, dass die Opfer des Henkers wirklich zu dem Personenkreis gehörten, gegen den bereits erfolglos ermittelt wurde. Aber du bist einfach davon ausgegangen, dass es so ist, und darauf hast du deine Hypothese vom Milizionär aufgebaut, der beschlossen hat, das Recht selbst in die Hand zu nehmen. Du dumme, selbstgefällige Pute! Zwei Wochen Arbeit umsonst, alles für den Papierkorb. Man sollte dich prügeln und davonjagen, jemand wie du hat nichts verloren bei der Kripo!
    Nastjas Hasstirade gegen sich selbst endete erst, als auch das letzte Blatt zerfetzt und im Papierkorb gelandet war. In diesem Moment begann das Wasser zu kochen, Nastja brühte sich einen starken Kaffee, steckte sich eine Zigarette an und wurde etwas ruhiger. Die Hände zitterten zwar noch, das Herz klopfte, aber die Wut hatte nachgelassen. Jetzt galt es, den Kopf wieder zu benutzen. Wenn ich die Personalakten nicht überprüft hätte, sagte Nastja sich, hätte ich schließlich nie von den umfangreichen Kaderumstellungen erfahren, die drei, vier Monate nach den Morden einsetzten, für die der Henker jetzt systematisch Rache übt. Und wenn ich das nicht erfahren hätte, hätte ich nicht die Regionen einkreisen können, in denen der Henker wahrscheinlich sein Werk fortsetzen wird. Sein neues Opfer ist der Beweis dafür, dass ich mich in seiner Vorgehensweise nicht getäuscht habe. Allerdings bedeutet das, dass wir mit mindestens drei weiteren Morden zu rechnen haben. Und die müssen verhindert werden. Wir müssen den Henker finden. Und seine potenziellen Opfer müssen nach dem Gesetz bestraft werden. Nur wird es jetzt natürlich sehr schwer sein, sie zu finden und vor dem Henker zu

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