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Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers

Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers

Titel: Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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ihm geantwortet hat?«
    »Was denn?«
    »Nichts, Nastjenka. Er erinnert sich nicht.«
    »Was heißt, er erinnert sich nicht?«, fragte Nastja stirnrunzelnd. »Wie ist es möglich, sich an so etwas nicht zu erinnern?«
    »Er erinnert sich eben einfach nicht. Korotkow fragt ihn, ob er noch weiß, wie er aus der Armee entlassen wurde. Daran erinnert er sich genau. Er erinnert sich an die Heimfahrt, daran, wie die Eltern ihn vom Bahnhof abholten, er weiß sogar noch, welches Kleid seine Mutter trug und welche Frisur seine Schwester hatte. Er erinnert sich genau daran, wie sie 1993 Silvester gefeiert haben und dann, am 8. März, den Frauentag. Aber wie er sich die Hand im April verletzt hat, weiß er nicht mehr. An die Mai-Feiertage erinnert er sich dann wieder, er weiß genau, was er an diesen Tagen gemacht hat. Ich habe mir übrigens von einem Fachmann sagen lassen, dass Oligophreniker oft über ein ausgezeichnetes Gedächtnis verfügen, sie können manchmal mühelos ganze Buchseiten auswendig lernen. Wie es aussieht, verfügt auch Basanow über ein gutes Gedächtnis, damals im April muss er einen Blackout gehabt haben. Wann genau wurde der Erpresser ermordet, erinnerst du dich?«
    »Ja«, sagte Nastja mit plötzlich taub gewordenen Lippen. »Am zwölften April morgens gegen elf Uhr. Was hat das alles zu bedeuten? Ein psychotischer Schub, Mord und anschließend Amnesie?«
    »Könnte es so gewesen sein?«
    »Vielleicht. Aber eher nicht. Wenn es sich um eine Krankheit handelt, hätte die Amnesie auch nach dem Mord an Lutschenkow anhalten müssen, Basanow hätte alles vergessen müssen, was mit dem Mord zusammenhing. Aber er erinnert sich ja an jede Einzelheit. So klar und deutlich, dass er sich in seinen Aussagen kein einziges Mal widersprochen hat.«
    »Zieh keine voreiligen Schlüsse. Hör mir zu, denn ich habe dir noch nicht alles erzählt. Wenn du nicht mit so viel Eifer für Konowalow arbeiten würdest, hättest du alles schon viel früher erfahren. Korotkow isst und schläft nicht mehr, er rast durch ganz Moskau und sammelt Informationen, aber du zeigst nicht das geringste Interesse daran und scheinst vergessen zu haben, dass es außer deinem Henker noch andere Verbrecher gibt, die gefasst werden müssen. Also, hör zu. Vor etwa drei Wochen hat Basanows Mutter ihren Sohn zusammen mit einem fremden Mann gesehen. Sie kannte seinen Namen nicht und konnte sich nicht erinnern, ihm schon einmal begegnet zu sein, aber das sehr sympathische Gesicht kam ihr trotzdem irgendwie bekannt vor. Sie dachte nach, und schließlich fiel ihr ein, dass sie ihren Sohn schon einmal mit diesem Mann gesehen hatte. An genau derselben Stelle, aber schon vor langer Zeit, kurz vor dem Unfall, bei dem Kyrill sich die Hand verletzt hatte.«
    »Wie kurz vor dem Unfall?«, wollte Nastja wissen.
    »Sehr kurz. Am Tag davor. Die Mutter fragt also ihren Sohn, wer sein Bekannter sei, dieser sympathische Mann, mit dem sie ihn auf der Straße gesehen hat. Aber Kyrill versteht nicht, wovon die Rede ist. Die Mutter erinnert ihn, es war der, mit dem du vom Supermarkt in Richtung Park gegangen bist, sagt sie, du kennst ihn schon lange, ich habe euch schon vor drei Jahren einmal zusammen gesehen. Aber Kyrill versteht nicht und schaut seine Mutter nur mit leeren Augen an. Kurz, es ist ihr nicht gelungen, etwas aus ihm herauszubekommen. Allerdings hat sie sich auch keine große Mühe gegeben, da das alles erstens keine große Bedeutung für sie hatte und ihr zweitens immer bewusst ist, dass ihr Sohn geistig zurückgeblieben ist und man deshalb nicht allzu viel von ihm erwarten kann. Unser Korotkow hat auch Kyrill selbst befragt, natürlich viel eindringlicher und energischer als seine Mutter. Er setzte den armen Kerl nach allen Regeln seiner kriminalistischen Kunst unter Druck, und Kyrill erinnerte sich tatsächlich, wenn auch mit großer Mühe. Angeblich hat dieser Mann Kyrill auf der Straße angesprochen und gefragt, ob er ihm einen Hunderttausendrubelschein wechseln könnte. Basanow begann, in seinen Taschen zu wühlen, er hatte nur kleine Scheine bei sich und verzählte sich ständig. Schließlich stellte sich heraus, dass sein Geld nicht reichte. Der Fremde entschuldigte sich und steckte seinen Geldschein wieder ein. Eine Weile gingen sie noch nebeneinanderher, sie hatten denselben Weg, das war alles. Kyrill hatte diesen Mann zum ersten Mal im Leben gesehen, er konnte nicht verstehen, warum seine Mutter behauptete, dass er ein alter Bekannter von ihm sein

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