Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers
unserer alten Freundschaft, und weil du mein Vorgesetzter bist, wenn auch nur ein indirekter, bin ich selbst zu dir gekommen.«
»Dann lass hören«, sagte Konowalow erwartungsvoll.
»Warum benutzt du mein Mädchen eigentlich in dunklen Angelegenheiten, Alexander Semjonowitsch? Habe ich sie deshalb gebeten, dir einen Gefallen zu erweisen? Du bist undankbar.«
»Kannst du dich vielleicht etwas deutlicher ausdrücken?«, fragte der Leiter des Hauptkomitees argwöhnisch.
»Nein, das kann ich nicht«, erwiderte Gordejew ärgerlich. »Ich verstehe nämlich selbst nichts. Wer ist er eigentlich, dein Minajew?«
»Wer er ist? Du kennst ihn, ich habe euch miteinander bekannt gemacht.«
»Kennst du ihn schon lange?«
»Seit hundert Jahren. Oder zumindest seit neunzig. Worum geht es, Viktor?«
»Es geht darum, dass dein Minajew darum gebeten hat, Pawel Sauljak sicher nach Moskau zu bringen, und sich dabei auf die Umtriebe gewisser Leute berufen hat, die angeblich seine Feinde sind. Wir haben ihm geglaubt und Anastasija mit dieser Aufgabe betraut. Sie hat sie erfolgreich ausgeführt. Dabei hat sie bemerkt, dass Pawel tatsächlich verfolgt wurde, und zwar ziemlich hartnäckig. Diese Leute haben bis heute ihr Interesse an ihm nicht verloren und versuchen weiterhin, ihn zu finden. Und plötzlich erfahre ich, dass sie für einen Mann arbeiten, mit dem Minajew sehr gut bekannt ist. Mehr noch, die beiden nehmen gemeinsam an gewissen politischen Zusammenkünften teil und führen, versteckt vor den anderen, heimliche Gespräche unter vier Augen. Ich habe das ungute Gefühl, Alexander Semjonowitsch, dass dein Freund vom Geheimdienst dich an der Nase herumführt. Dich und damit auch mich. Und Anastasija hat er einen dunklen Part in diesem Spiel zugedacht.«
»Warte mal, Viktor, warte mal. Bist du ganz sicher, dass es stimmt, was du da sagst?«
»Hundertprozentig.«
»Und wer ist dieser Mann, mit dem sich Minajew heimlich unter vier Augen unterhält?«
»Ein gewisser Tschinzow von der Staatsduma. Hast du seinen Namen schon einmal gehört?«
»Nein.« Konowalow schüttelte den Kopf.
»Wie passt das alles zusammen?«, fuhr Gordejew fort. »Wenn Minajew und Tschinzow zusammengehören – wozu war dann die Lüge gut, dass es Leute gibt, die Pawel in ihre Gewalt bringen wollen? Schließlich waren die Leute von Tschinzow hinter ihm her, und die stellen für Minajew keinerlei Gefahr dar. Und wenn Minajew Tschinzow zuvorkommen und ihm Sauljak vor der Nase wegschnappen wollte, dann muss es sich um irgendein Spiel zwischen den beiden handeln. Und in dieses Spiel haben sie Nastja hineingezogen. Oder es war anders. Minajew und Tschinzow haben erst jetzt zusammengefunden. Zu der Zeit, als Sauljak die Strafkolonie verließ, standen sie tatsächlich noch auf verschiedenen Seiten. Aber warum hören die Leute von Tschinzow dann nicht auf, Nastja zu verfolgen? Warum verbringen sie eine ganze Nacht im Auto unter ihrem Fenster?«
Hier hatte Viktor Alexejewitsch natürlich ein wenig dick aufgetragen. Er wusste, dass Tschinzows Leute in letzter Zeit ihr Interesse an Anastasija verloren hatten, aber er hatte absichtlich übertrieben, um Konowalow wachzurütteln. Ihm missfiel allein schon die Tatsache, dass General Minajew sich mit einem Menschen gemein machte, den er noch vor kurzem als seinen Feind bezeichnet hatte.
»Versteh mich doch, Alexander Semjonowitsch, ich habe Anastasija nach Samara geschickt, weil du die Sache so dargestellt hast, als würde man versuchen, Sauljak aus dem Weg zu räumen. Mit anderen Worten, wir beide haben reagiert wie ganz normale Milizionäre: Wenn ein Mord geplant ist, dann ist es unsere Pflicht, alles zu tun, um ihn zu verhindern. Oder es zumindest zu versuchen. Aber wenn das alles Lüge ist, wenn nie ein Mord geplant war, wozu haben wir dann das alles getan? Haben wir uns vor die Karre irgendeines Dunkelmannes spannen lassen? Haben wir uns hinters Licht führen lassen wie dumme Kinder? Was war der Sinn der Sache, wenn Pawel Sauljak sich nie in Gefahr befunden hat? Und was steht hinter alledem?«
»Und wenn er sich doch in Gefahr befunden hat?«
»Wenn es tatsächlich so war, warum spielt Minajew dann jetzt in der Mannschaft seines eigenen Gegners?«
»Viktor, ich kenne Minajew als anständigen und sehr professionellen Mann. Ich kann nicht glauben, dass er sich auf irgendwelche unsauberen Geschichten einlässt. Kann es sein, dass du dich irrst? Bist du davon überzeugt, dass die Information stimmt, die du
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