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Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers

Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers

Titel: Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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bekommen hast?«
    General Konowalow wusste genau, wonach und warum er fragte. Man konnte nur von dem überzeugt sein, was man mit eigenen Augen gesehen, mit eigenen Ohren gehört, mit eigenen Händen angefasst hatte. Alles andere beruhte auf Vertrauen in die Person, von der man die Information erhielt. Konnte Oberst Gordejew seine Hand dafür ins Feuer legen, dass Korotkow sich nicht getäuscht hatte? Wer hätte beschwören können, dass Mischa Dozenko von dem Komplizen der Autodiebe die richtige Autonummer bekommen hatte? Obwohl hier wahrscheinlich kein Zweifel bestand, weil Jura Korotkow die zwei Männer mit eigenen Augen gesehen und wieder erkannt hatte. Aber wenn er sich trotzdem täuschte? Hatte es wirklich dieses Treffen bei dem bekannten Politiker gegeben, und waren es wirklich Minajew und Tschinzow gewesen, die auf der Rückfahrt angehalten und in einer Seitenstraße miteinander gesprochen hatten? Hätte Gordejew das alles doch mit eigenen Augen gesehen! Dann hätte er ganz anders mit Konowalow sprechen können.
    »Geh davon aus, dass es sich um eine ganz gewöhnliche operative Information handelt«, sagte Gordejew trocken. »Und mache bei deiner Bewertung dieselben Abstriche und Einschränkungen wie immer in solchen Fällen. Erscheint dir das alles absolut unglaubwürdig?«
    »Ich denke, es kann sich nur um ein Missverständnis handeln«, erwiderte Konowalow ausweichend. »Ich möchte nicht, dass du Minajew irgendeiner Gemeinheit verdächtigst.«
    »Kannst du dich für ihn verbürgen?«
    »Ja . . . ich denke schon«, sagte Alexander Semjonowitsch mit fester Stimme.
    Viktor Alexejewitsch kehrte durchaus befriedigt zur Petrowka zurück. Er war sicher, dass Konowalow sich spätestens am heutigen Abend mit Minajew in Verbindung setzen und ihn über das Gespräch mit dem Oberst von der Kripo informieren würde. Nein, Gordejew verdächtigte den Leiter des Hauptkomitees keinesfalls der Doppelzüngigkeit. Er nahm nur an, dass der General durch das Gespräch beunruhigt war und den dringenden Wunsch haben würde, sich mit Minajew zu unterhalten. Er würde sich davon überzeugen wollen, dass Gordejew sich irrte, und seinen alten Freund gleichzeitig vor Tschinzow warnen, ihn wissen lassen, dass es genau dessen Leute waren, die Pawel in Samara aufgelauert hatten.
    Gegen Abend erschienen Kolja Selujanow und Jura Korotkow in Gordejews Büro.
    »So, Kinder«, begann der Oberst ohne lange Vorreden, »von dieser Stunde an gilt unsere ganze Aufmerksamkeit General Minajew. Wir müssen beobachten, wie er sich verhält, mit wem er sich trifft. Dieser Mann gefällt mir nicht, und ich möchte alles über ihn wissen. Zu Anastasija kein einziges Wort. Ich bringe euch um, wenn ihr euch verplappert. Eine Observation durch den Geheimdienst können wir nicht riskieren. Die müssten wir auf dem offiziellen Instanzenweg beantragen, und wenn wir die Genehmigung bekommen und der Geheimdienst die Observation übernimmt, fließt uns die Information sowieso davon. Es liegt keinerlei Strafsache gegen Minajew vor, wir observieren auf eigenes Risiko, illegal und partisanenmäßig. Es geht um unsere Anastasija, darum legt euch ins Zeug, Jungs. Du wirst Kolja in alle Einzelheiten einweihen, Korotkow. Das ist alles. Ihr könnte euch auf die Socken machen.«
    Gegen acht Uhr hatte Gordejew alle unaufschiebbaren Arbeiten erledigt und wollte die Kamenskaja zu sich rufen, um sich ihren Tagesbericht anzuhören, aber dann überlegte er es sich anders und ging selbst in ihr Büro. Sie saß an ihrem Schreibtisch, inmitten von Papierbergen, blass, mit dunklen Ringen unter den Augen. Aber die Augen selbst leuchteten, und Gordejew begriff, dass sie nicht krank war, sondern einfach nur erschöpft.
    »Was hast du mir Schönes zu berichten?«, fragte er gut gelaunt.
    »Einiges«, lächelte Nastja, während sie sich auf dem Stuhl streckte und ihren vom langen Sitzen verspannten Rücken rieb.
    Sie erzählte Gordejew ausführlich, was sie an diesem Tag gemacht hatte, und er wunderte sich wieder einmal, wie viel auf einmal sie schaffte.
    »Wie geht deine Arbeit für Konowalow voran? Bist du immer noch wütend auf dich selbst?«
    »Hat man tatsächlich gemerkt, dass ich wütend war?«
    »Und ob«, lachte Gordejew. »Ich kenne dich doch in- und auswendig. Wenn du mit ruhiger, fröhlicher Stimme sprichst und dabei deine Hände zittern, weiß ich, dass du gleich anfangen wirst, Geschirr zu zerschlagen oder Unterlagen zu zerfetzen. Gib es zu, hast du Tassen an die Wand

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