Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers
auf.«
»Nein, nein, ich bin einverstanden«, sagte Tschinzow mit einem Seufzer. »Die Sache ist abgemacht.«
»Wunderbar«, lächelte Anton Andrejewitsch.
* * *
Viktor Alexejewitsch Gordejew sah Jura Korotkow versonnen an, während er über die Information nachdachte, die er soeben von ihm bekommen hatte. Korotkow hatte herausfinden sollen, wer ein gewisser Grigorij Valentinowitsch Tschinzow war und warum die beiden Männer, die sein Auto benutzten, immer wieder den Weg von Anastasija Kamenskaja kreuzten. Jura hatte in Erfahrung gebracht, dass Tschinzow bei der Staatsduma arbeitete und dass die beiden Männer, die in seinem silberfarbenen Audi herumfuhren, Serjosha Jakowlew und Kolja Obidin hießen. Korotkow hatte sie als die Männer wieder erkannt, die er bereits in Samara und Uralsk gesehen hatte. Es sah so aus, als seien sie eigentlich hinter Sauljak her und nicht hinter Anastasija. Wahrscheinlich hatte Anton Andrejewitsch Minajew genau diesen Tschinzow und seine zwei Leute gemeint, als er seinen Freund, General Konowalow, ins Vertrauen gezogen und die Befürchtung geäußert hatte, dass man auf Sauljak nach seiner Entlassung aus dem Straflager die Jagd eröffnen würde. Bis hier hin passte alles zusammen.
Dann aber hatte Korotkow mitgeteilt, dass Tschinzow soeben zu Gast im Haus eines sehr bekannten Politikers irgendwo im Umland von Moskau gewesen war und sich unter den Gästen dieses Politikers auch Anton Andrejewitsch Minajew befunden hatte. Das besagte vielleicht noch nicht allzu viel, aber auf der Rückfahrt nach Moskau hatten Tschinzow und Minajew eine Unterbrechung gemacht und etwas miteinander besprochen. Und das gefiel Oberst Gordejew ganz und gar nicht. Wenn Minajew Tschinzow für seinen Gegner hielt, warum saß er dann plötzlich in einem Boot mit ihm? Viktor Alexejewitsch fürchtete um Nastja.
Der Stein des Anstoßes war ja von Anfang an Sauljak. Und Nastja hatte es geschafft, ihn Tschinzow und seinen Leuten vor der Nase wegzuschnappen. Wenn Minajew und Tschinzow etwas miteinander ausgeheckt hatten, dann konnte man nicht wissen, welche Folgen das für die Kamenskaja haben würde.
»Aber Anastasija hat Minajew doch geholfen. Glauben Sie wirklich, dass er sich ihr gegenüber als so undankbar erweisen würde?«
»Wer weiß, wer weiß«, sagte Gordejew mit einem nachdenklichen Kopf schütteln. »Heute ist der Verrat an Freunden und Verbündeten ja Mode geworden. Ich denke, wir sollten Nastja nichts von dieser Sache sagen. Was meinst du?«
»Ich würde es ihr sagen. Vielleicht fällt ihr ja etwas dazu ein.«
»Natürlich«, mokierte sich der Oberst. »Etwas anderes hast du nicht im Kopf. Du hast dich daran gewöhnt, sie zu behandeln wie eine Maschine zur Produktion von Ideen. Kannst du dir nicht vorstellen, dass sie Angst bekommen könnte? Sie hat schließlich auch so etwas wie Nerven. Wie würdest du dich fühlen, wenn du erfahren würdest, dass man womöglich vorhat, dich als Schachfigur im Spiel zwischen der Duma und dem Geheimdienst zu benutzen?«
»Wahrscheinlich schlecht«, gab Korotkow zu. »Aber vergleichen Sie mich nicht mit Nastja, sie ist anders als ich. Sie liebt Schwierigkeiten, je schwieriger etwas ist, desto interessanter für sie. Ihr Kopf funktioniert irgendwie anders.«
»Es geht nicht darum, was schwieriger ist, sondern darum, was gefährlicher ist«, sagte Gordejew grimmig. »Ich habe bereits entschieden. Vorläufig kein Wort zu Nastja. Wo ist Selujanow?«
»Wo sollte er schon sein! Er rennt natürlich durch die Gegend und recherchiert.«
»Sobald er auftaucht, erwarte ich euch beide hier, bei mir. Und halte deine Zunge im Zaum, Korotkow. Ich weiß, dass du seit vielen Jahren mit Nastja befreundet bist und die schlechte Angewohnheit hast, ihr immer alles brühwarm zu erzählen. Aber wenn du ihr auch nur ein einziges Wort über Minajew und Tschinzow sagst, reiße ich dir den Kopf ab und schicke dich zum Teufel. Hast du verstanden?«
Nachdem Korotkow gegangen war, blieb Viktor Alexejewitsch noch eine Weile nachdenklich sitzen, dann erhob er sich entschieden, zog seinen Mantel an, schloss das Büro ab und verließ die Petrowka.
* * *
»Wie gefällt dir meine Anastasija?«, fragte Viktor Alexejewitsch. »Bist du zufrieden mit ihrer Arbeit?«
»Man könnte meinen, du bist hergekommen, um mich das zu fragen«, erwiderte Konowalow. »Mach keine Umstände, Viktor. Wo drückt der Schuh?«
»Nicht mein Schuh drückt, Alexander Semjonowitsch, sondern deiner. Aber in Anbetracht
Weitere Kostenlose Bücher