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Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers

Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers

Titel: Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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Sauljak stieg hinten ein. Auf dem ganzen Weg zum Hotel schwiegen sie. Immer noch schweigend verließen sie den Wagen, betraten das Hotel und stiegen die Treppen zu ihrem Stockwerk hinauf. Kaum waren sie im Zimmer, hielt Nastja es nicht mehr aus.
    »Meinen Sie nicht, dass es endlich an der Zeit ist, mit diesen Kindereien Schluss zu machen?«, fragte sie zornig, während Pawel mit steifen Fingern versuchte, den Verschluss seiner Jacke zu öffnen. »Was ist mit Ihnen los, Pawel Dmitrijewitsch? Ich muss Sie nach Moskau bringen, und Sie sind ständig drauf und dran zusammenzuklappen. Warum wollen Sie mir nicht sagen, was Ihnen fehlt, und sich helfen lassen?«
    Sein Blick wich ihr erneut aus. Er hatte ihr beim Sprechen noch nie in die Augen gesehen, nicht einmal in den Minuten, in denen sie sich durchaus freundschaftlich unterhalten hatten. Endlich war es ihm gelungen, den Verschluss zu öffnen, er zog seine Jacke aus und legte sich wortlos aufs Bett.
    »Entweder sagen Sie mir auf der Stelle, was mit Ihnen los ist, oder ich hole den Notarzt. Der Gedanke, Sie als Leiche nach Moskau zu bringen, bereitet mir nicht gerade Spaß.«
    »Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte er leise, ohne die Augen zu öffnen. »Mir passiert nichts. Es wird bald vergehen. Mir tut schon jetzt nichts mehr weh.«
    »Es fällt mir schwer, Ihnen zu glauben«, sagte sie, aber sie hatte sich tatsächlich etwas beruhigt.»
    Es war schon sehr spät, höchste Zeit, schlafen zu gehen, aber Nastja war sicher, dass Pawels Zustand sich sofort wieder verschlechtern würde, sobald sie das Licht löschte. Sie zog Pullover und Stiefel aus und kroch in Jeans und Shirt unter die Decke.
    »Warum machen Sie das Licht nicht aus?«, fragte Pawel.
    »Um Sie zu sehen. So werde ich zumindest merken, wenn es Ihnen wieder schlechter geht.«
    »Das wird es nicht, ich habe es Ihnen schon gesagt. Löschen Sie das Licht und schlafen Sie. Sie müssen sich ausruhen, ich bitte Sie.«
    Etwas war in seinem Tonfall, das Nastja zwang, sich aufzurichten und gehorsam auf den Lichtschalter zu drücken. Jetzt war das Zimmer nur noch von den Straßenlaternen und den Lichtern des Flughafens erleuchtet. Und hier soll man nun schlafen, dachte Nastja gereizt.
    Pawel lag so still da, dass Nastja allmählich doch ruhiger wurde. Jemand, der Schmerzen hatte, konnte gewöhnlich nicht still liegen, er wälzte sich herum und versuchte, die Haltung zu finden, in der die Schmerzen am erträglichsten waren. Es gelang ihr, sich etwas zu entspannen, aber da ihr klar war, dass sie sowieso nicht einschlafen würde, versuchte sie wenigstens, ihre Gedanken zu ordnen. Systematisch ging sie den vergangenen Tag durch, Minute für Minute, sich an jedes Wort von Pawel erinnernd, an jede seiner Gesten, jeden seiner Blicke. Was hatte sie heute Neues und Wissenswertes über ihn erfahren?
    »Nastja«, hörte sie ihn plötzlich neben sich sagen.
    Sie sprang auf, wie von der Tarantel gestochen. Zum ersten Mal, seit sie sich kannten, hatte er sie beim Vornamen genannt. Er musste wirklich in Nöten sein.
    »Ja, ich bin da«, antwortete sie mit ebenso leiser Stimme.
    »Schläfst du?«
    »Nein.«
    »Setz dich ein bisschen zu mir.«
    Und jetzt auch noch das Du! Dir muss das Wasser bis zum Hals stehen, Pawel Dmitrijewitsch, dachte sie. Wenn ich nur eine Ahnung hätte, was mit dir los ist.
    Nastja schlug rasch die Decke zurück und setzte sich zu ihm auf den Bettrand. Seine eiskalten Finger berührten ihre Hand.
    »Ist dir kalt?«, fragte sie besorgt. »Warum deckst du dich nicht zu?«
    »Nicht nötig, es ist alles in Ordnung. Bleib einfach nur ein bisschen neben mir sitzen.«
    »Ist gut, natürlich.«
    Sie drückte sanft seine Finger, aber er zog sie zurück. Die Minuten vergingen, Nastja begann zu frieren, aber sie wagte es nicht, sich zu bewegen. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, was vor sich ging, sie wusste nur, dass sie auf keinen Fall das empfindliche Gleichgewicht zwischen Vertrauen und Fremdheit stören durfte, das plötzlich zwischen ihnen entstanden war.
    »Ich soll verflucht sein, wenn ich dich jemals kränke«, sagte Pawel plötzlich laut und deutlich.
    Nastja hielt sich gewaltsam zurück, um nichts darauf zu erwidern. Sie suchte und fand in der Dunkelheit nur seine Hand und streichelte seine kalten Finger.
    »Geh wieder ins Bett«, sagte er, seine Stimme war wieder leise. »Hör nicht auf mich, ich rede allen möglichen Unsinn. Leg dich wieder hin.«
    Sie erhob sich schweigend und ging wieder in ihr Bett. Bis

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