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Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers

Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers

Titel: Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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Konfitüre und eine Schale mit Pralinen. Auch Käse und Brot hatte er vorsorglich aus der Stadt mitgebracht, denn nach der langen Reise war sein Gast wahrscheinlich hungrig.
    »Kennen Sie mich eigentlich?«, fragte er Pawel, als endlich alles auf dem Tisch stand.
    »Oberst Minajew, wenn ich mich nicht irre. Oder sind Sie inzwischen General?«
    »Ich bin inzwischen General«, bestätigte Anton Andrejewitsch. »Und Sie wissen sicher, dass ich viele Jahre mit Bulatnikow zusammengearbeitet habe. Am Ende war ich sein Stellvertreter.«
    »Ja, ich weiß.«
    »Dann möchte ich Ihnen zwei Dinge sagen. Erstens weiß ich, wer Sie sind und welche Stellung Sie vor Ihrer Verhaftung innehatten. Zweitens müssen Sie wissen, dass mir die Umstände, unter denen Bulatnikow umgekommen ist, nicht gleichgültig sind. Ich möchte Licht in das Dunkel dieser Umstände bringen. Und dafür brauche ich Ihre Hilfe, Pawel Dmitrijewitsch. Und ich sage Ihnen noch mehr. Ich habe den Verdacht, dass diejenigen, die Wladimir Wassiljewitsch beseitigt haben, auch dafür gesorgt haben, dass man Sie verhaftet und ins Straflager gebracht hat.
    »Nein, da irren Sie sich«, sagte Pawel mit einem kaum merklichen Lächeln. »Ins Straflager bin ich ganz ohne fremde Hilfe gekommen, es war meine eigene Schuld und mein eigener Wunsch.«
    »Und was hat dabei überwogen, die Schuld oder der Wunsch?«
    »Das eine bedingte das andere.«
    »Ich verstehe«, sagte Minajew nachdenklich. »Das ändert natürlich so manches, allerdings nicht grundsätzlich.«
    Damit hatte der General nicht ganz die Wahrheit gesagt. In Wirklichkeit hatte er darauf gehofft, in Pawel den Wunsch nach Rache gegen diejenigen wecken zu können, die ihn hereingelegt hatten. Nun sah es aber so aus, dass dafür wenig Chancen bestanden, und das änderte vieles, und zwar ganz erheblich. Würde Sauljak unter solchen Umständen überhaupt bereit sein, sich mit denen anzulegen, die Bulatnikow umgebracht hatten? Wohl kaum. Hätte er dieses Bedürfnis verspürt, würde er sich nicht im Straflager versteckt haben, er hätte das Kriegsbeil ausgegraben und wäre damit auf den Gegner losgegangen. Es war also höchst unwahrscheinlich, dass es ihm, Minajew, nach zwei Jahren gelingen könnte, das Feuer der Rache in Sauljak zu entfachen. Selbst die aufrichtigsten Emotionen hatten die unangenehme Eigenschaft, mit der Zeit abzukühlen.
    »Was war der letzte Auftrag, den Ihnen Bulatnikow erteilt hat, bevor er ermordet wurde?«
    »Sie wissen ganz genau, dass ich Ihnen das nicht sagen werde«, erwiderte Sauljak ungerührt.
    »Aber es muss Ihnen doch klar sein, dass man die Mörder unter denjenigen suchen muss, mit denen Wladimir Wassiljewitsch kurz vor seinem Tod zu tun hatte. Wollen Sie mir Ihre Hilfe verweigern?«
    »Gehen Sie davon aus, dass es so ist. Bulatnikow stand mit einer Vielzahl sehr einflussreicher und mächtiger Leute in Verbindung, und jeder von ihnen kann an seinem Tod interessiert gewesen sein. Ihr Vorhaben ist unsinnig und aussichtslos.«
    »Das glaube ich nicht«, widersprach der General heftig. »Ich habe viele Jahre mit Bulatnikow zusammengearbeitet, und ich habe einfach die Pflicht, der Wahrheit nachzugehen und für Gerechtigkeit zu sorgen. Die Pflicht, verstehen Sie? Die Pflicht des Schülers, des Mitarbeiters, des Mitstreiters.«
    Pawel schwieg und nippte gemächlich an dem heißen, aromatischen Tee. Er rührte nichts von dem an, was auf dem Tisch stand, er hatte nur den Tee mit einem Löffel Konfitüre gesüßt. Wenn man ihn nicht über die Rachsucht packen konnte, dachte der General, dann musste man es über die Angst versuchen. Und wenn auch das nicht klappen sollte, dann blieb immer noch die Dankbarkeit. Aber auf jeden Fall musste Minajew Pawel zur Zusammenarbeit überreden. Um das verwirklichen zu können, was er vorhatte, brauchte er Pawel und keinen andern. Niemand außer Pawel kam dafür infrage.
    »Wissen Sie, warum ich Sie habe bewachen lassen?«, fragte er.
    »Ich ahne es. Außer der Frau, die Sie mir geschickt haben, waren ständig noch vier andere in meiner Nähe. Wer waren diese Männer eigentlich?«
    »Sie bringen mich in eine schwierige Lage, Pawel Dmitrijewitsch«, sagte Minajew mit einem feinen Lächeln. »Ich werde zweifellos meine Karten vor Ihnen aufdecken, wenn Sie mit mir Zusammenarbeiten. Aber wenn Ihnen Bulatnikows Schicksal gleichgültig ist und Sie mir nicht helfen wollen, habe ich einfach nicht das Recht, Ihnen alles zu sagen. Ich habe schließlich auch meine

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