Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers
und die richtigen Entscheidungen treffen würden. Außer dem Präsidenten gab es natürlich noch die Duma, aber auch dort hatten sie längst ihre Leute eingeschleust, korrupte Abgeordnete, die allesamt gekauft waren. Da die Wahlen zur Duma und die Präsidentschaftswahlen innerhalb eines Halbjahres stattfanden, war es für sie noch einfacher, ihren Plan zu realisieren.
Pawel hatte Minajew um drei Tage Erholungspause gebeten. »Ich muss etwas gegen meine akute Gallenblasenentzündung unternehmen«, hatte er erklärt, »sonst könnte es passieren, dass mich im ungünstigen Moment ein Anfall erwischt. Außerdem muss ich mich ausschlafen und wieder zu Kräften kommen.«
Anton Andrejewitsch war zu allem bereit, er erfüllte Pawels Bedingungen mit Freuden, wenn er ihm nur nicht wieder von der Angel ging. Aber es sah nicht so aus, als würde Pawel Zweifel an seiner einmal getroffenen Entscheidung hegen.
Nach drei Tagen erklärte Pawel sich dazu bereit, mit der Arbeit zu beginnen.
Er sah jetzt viel besser aus als bei seiner Ankunft auf Minajews Datscha. Er hatte eine gesunde Gesichtsfarbe, auch wenn er noch etwas blass war, aber das schmutzige, aschfahle Grau war aus seinen Zügen verschwunden. Er saß nicht mehr stundenlang mit geschlossenen Augen und verschränkten Armen im Sessel, sondern ging im Haus und auf dem Datschengrundstück umher und machte Gymnastik. Einmal sah Minajew ihn zufällig bei seinen sportlichen Übungen hinter dem Haus. Er hielt am Springseil zwanzig Minuten ohne Unterbrechung durch und absolvierte die Übung in einem Schwindel erregenden Tempo. Er schwang das Seil bei jedem Sprung zweimal unter seinen Füßen hindurch, und um das zwanzig Minuten lang durchzuhalten, musste man über höchstes Konzentrationsvermögen und sehr gut trainierte Armmuskulatur verfügen.
Im Lauf der letzten drei Tage hatte der General eine Wohnung für Pawel gefunden und Papiere auf den Namen Alexander Wladimirowitsch Kustow für ihn besorgt. Außerdem hatte er ihm einen Reisepass beschafft, aus dem hervorging, dass der Inhaber dieses Passes eben erst aus Belgien zurückgekehrt war. Dort war er zwei Jahre lang mit einer bezaubernden Belgierin verheiratet gewesen, bis sich herausstellte, dass seine Frau und er charakterlich nicht zusammenpassten, woraufhin das Ehepaar sich friedlich trennte und Alexander Wladimirowitsch unter Verzicht auf Wohlstand und Komfort in seine Heimat zurückkehrte. Nach zwei Jahren Auslandsaufenthalt war es nicht verwunderlich, dass Herr Kustow sich mit einigen Dingen in seinem Land nicht mehr sehr gut auskannte, dass er zum Beispiel nicht wusste, was jetzt eine Fahrt mit der Metro kostete und wo Fahrscheine für die öffentlichen Verkehrsmittel verkauft wurden. Zudem war es ganz normal, dass jemand, der nach zweijähriger Abwesenheit gerade erst nach Moskau zurückgekehrt war, noch keine neue Anstellung hatte. Aber da Herr Kustow über gewisse Rücklagen verfügte, konnte er es sich erlauben, noch eine Weile ohne Verdienst auszukommen.
Auf der Namenliste, die Minajew für Sauljak vorbereitet hatte, standen sieben Namen, an erster Stelle der des Präsidentschaftskandidaten, während Tschinzows Name überhaupt nicht aufgeführt war. Minajew hatte sich auf die Personen beschränkt, die unmittelbar an dem großen Waffen- und Drogengeschäft beteiligt gewesen waren, die die Transporte organisiert, Entscheidungen getroffen, konkrete Operationen vorbereitet und die Gewinne unter sich aufgeteilt hatten. Tschinzow war zu jener Zeit nicht mehr als ein kleines Rädchen im Getriebe gewesen, ein dienstbarer Geist, den man nur dazu benutzt hatte, die nötigen Intrigen zu spinnen. Damals, vor drei, vier Jahren, als Bulatnikow mit zwei Anführern der Bande in Verbindung stand, hatte Tschinzow in der Hierarchie dieser Bande ganz unten gestanden. Jetzt allerdings, das wusste Minajew, hatte Tschinzow sich einen sicheren Platz in der Mannschaft des Präsidentschaftskandidaten erobert und war beinah zu seiner rechten Hand avanciert. Darüber hinaus wusste Minajew, dass Tschinzow sich brennend für Pawel interessierte und versucht hatte, beim Innenministerium Auskunft über ihn einzuholen.
»Ich möchte Ihnen nichts verheimlichen«, sagte Minajew, während er auf seine Liste blickte. »Ich halte die Liste der Leute in der Hand, die das größte Interesse am Tod von Bulatnikow hatten und die ihn für immer zum Schweigen gebracht haben. Aber mir ist bekannt, dass diese Leute auch an Ihnen interessiert sind, Pawel
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