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Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers

Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers

Titel: Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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einer Woche, verging es.
    * * *
    Anfang Februar war es immer noch sehr kalt, aber der Himmel war klar und sonnig. Das machte Jewgenij Schabanow keine Freude. In seinem Büro stand der Computer an einer Stelle, an der man an sonnigen Tagen nicht arbeiten konnte, weil die Sonne auf den Bildschirm schien und blendete. Schabanow hatte schon oft daran gedacht, die Möbel in seinem Arbeitszimmer umzustellen und den Computer günstiger zu platzieren, aber immer wieder stieß er an die Grenzen des Möglichen. Stellte er den Schreibtisch an die Breitseite seines schlauchartigen Büros, müsste er mit dem Rücken zur Tür sitzen. Schabanow hielt sich nicht für besonders nervös, aber mit einer Tür im Rücken wurde er unruhig und konnte nicht mehr konzentriert arbeiten.
    Bis zum 15. Februar blieb noch knapp eine Woche. An diesem Tag wollte der Präsident in seine Heimatstadt fahren und dort öffentlich bekannt geben, ob er für eine weitere Amtszeit kandidieren würde. Jewgenij Schabanow musste der Rede des Präsidenten den letzten Schliff verleihen. Allerdings hatte er eine ganz besondere Vorstellung von dieser Rede, denn in Wahrheit arbeitete er nicht für den amtierenden Präsidenten, sondern für einen von dessen Rivalen.
    »Ich habe viel nachgedacht. . .« An dieser Stelle hielt Schabanow inne. Ein sehr bedeutungsvoller Moment, aus dem man alles herausholen musste, was nur möglich war. »Ich habe viel nachgedacht«, tippte Schabanow, »ich habe nachts nicht geschlafen, mit mir gekämpft. . .« Ausgezeichnet! Schabanow stellte sich vor, wie der hoch gewachsene, breitschultrige Präsident auf der Tribüne stand und mit seiner metallischen Stimme, die keinerlei Wärme besaß, diesen Text vom Blatt ablas. Unglaubwürdiger konnte es nicht klingen. An dieser Stelle würde der Präsident Punkte verlieren, das war klar.
    Eigentlich war der Text schon fertig, einige Mitarbeiter hatten ihn bereits durchgesehen und redigiert. Als Imageberater des Präsidenten war Schabanow der Letzte, der diesen Text in die Hand bekam. Er musste die richtigen Akzente setzen, die entsprechenden Pausen einbauen, mit einem Wort, eine literarische Vorlage in ein Drehbuch verwandeln. Jewgenij überflog die Zeilen noch einmal und hielt inne. »Ab März wird es bei der Auszahlung der Löhne und Gehälter keine Probleme mehr geben.« Er markierte die Textstelle. Das Wort »keine« sollte der Präsident hervorheben, es so laut und deutlich wie möglich aussprechen, beide Silben einzeln betonend. Nichts beschäftigte die Menschen in diesem Land mehr als die ihnen vorenthaltenen Löhne und Gehälter, jeder wusste, dass die Staatskasse leer war, und auch dem Dümmsten war klar, dass sich daran innerhalb von zwei Wochen nichts ändern konnte. Es musste irgendein ganz besonderer Schlaumeier gewesen sein, der so ein Versprechen in die Rede aufgenommen hatte. Aber umso besser. Der Schwur des Präsidenten sollte so laut und deutlich wie möglich in den Ohren der Bevölkerung klingen. Der März war nicht mehr weit, und danach würde der Präsident mit der Schmach des unerfüllten Wahlversprechens leben müssen.
    Gegen zehn Uhr abends schaltete Schabanow den Computer ab, endlich war er fertig. Er stand auf und streckte seine steifen Glieder. Endlich konnte er nach Hause fahren. Er war bereits dabei, seinen Mantel zuzuknöpfen, als plötzlich sein Handy zu fiepen begann.
    »Ich höre«, sagte Schabanow ungeduldig.
    »Wenn Sie an dem Mann interessiert sind, der inzwischen aus Samara nach Moskau zurückgekehrt ist«, hörte er eine fremde Frauenstimme am anderen Ende sagen, »können Sie eine Information über ihn bekommen. In einer Stunde an der Profsojuznaja, Ecke Butlerowa-Straße.
    »Wer spricht denn da?«, fragte Schabanow irritiert, doch die Frau hatte bereits aufgelegt.
    Ob er an dem Mann aus Samara interessiert war? Was für eine Frage. Natürlich war er an ihm interessiert. Erstens schon deshalb, weil seine Gönner an ihm interessiert waren. Und zweitens deshalb, weil Solomatin, einer der leidenschaftlichsten und ergebensten Anhänger des Präsidenten, hinter ihm her war. Schabanow wusste nicht, was die Leute, für die er arbeitete, von dem Mann aus Samara wollten, er wusste nur, dass es so war. Und davon, dass auch Solomatin ihn suchte, hatte der Imageberater ganz zufällig erfahren, indem er ein Gespräch mit angehört hatte, das nicht für seine Ohren bestimmt gewesen war. Doch wer war die Frau, die ihn angerufen hatte?
    * * *
    Rita war diejenige in der

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