Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen
das nicht einmal zu bemerken.
»Dafür ist die Geschichte mit Xenija sonnenklar. Daraus lässt sich Alinas ganzer Charakter ablesen. Hat man Ihnen schon davon erzählt?«
»Ja, man hat mir erzählt, dass Xenija Masurkewitsch Alina in aller Öffentlichkeit grob beleidigt hat. Aber was weiter war, weiß ich nicht.«
»Das ist es ja, es war nichts weiter. Alina hat nicht einmal versucht, darauf zu reagieren, hat sie nicht unterbrochen, dieser Gemeinheit nicht Einhalt geboten. Sie stand hinter Xenija und hörte sich schweigend alles an. Xenija ahnte übrigens nicht, dass Alina sie hörte, sie war wie immer betrunken und brauchte einen Auftritt vor Publikum. Alina hörte sich also die ganze Tirade bis zum Schluss an und ging, ohne ein Wort zu sagen. Alle waren natürlich besorgt. Man erklärte Xenija, sie habe zu laut gesprochen und Alina habe sie gehört. Aber das juckte sie nicht, man hat ihr immer alles durchgehen lassen, die ganze Firma Sirius deckt sie. Auch diesmal war sie sich sicher, ungeschoren davonzukommen, obwohl sie solche Gemeinheiten gesagt hat, dass jedem, der es hörte, die Ohren klangen. Doch Alina hat sich am nächsten Tag nach der Telefonnummer von Kosyrew erkundigt, Xenijas Vater. Verstehen Sie? Jeder wusste Bescheid über die Abenteuer der Frau des Firmenpräsidenten, sie ist zigmal in äußerst pikanten Situationen ertappt worden, aber wir alle schwiegen, denn an Xenijas Ruf hängt unser Job, unser Geld. Alina aber kümmerte das nicht. Können Sie sich das vorstellen? Sie hat nicht in aller Öffentlichkeit auf Xenijas Gemeinheiten reagiert, keinen Krach vom Zaun gebrochen, so etwas lag ihr ganz und gar nicht, das sagte ich Ihnen ja schon. Stattdessen begann sie am nächsten Tag in aller Stille zu handeln. Man kann Alina verstehen, die Beleidigungen waren sehr grob, unverzeihlich grob, und sie war ja inzwischen ein Star, was kümmerte sie das Geld von Masurkewitsch, sie wäre auch ohne ihn zurechtgekommen, Rudin zum Beispiel ist schon die ganze Zeit hinter ihr her, bietet ihr Millionenverträge.«
»Aber Andrej Lwowitsch«, sagte Korotkow erstaunt, »Masurkewitschs Geld, das ist doch auch Ihre Arbeit, nicht nur Alinas. Mag ja sein, dass sie nicht abhängig war von diesem Geld, aber Sie! Hat Sie denn gar nicht an Sie gedacht? War es ihr etwa egal, ob Sie weiter Filme machen können?«
»Aber nein.« Smulow lächelte schwach, zum ersten Mal während seines Gesprächs mit Korotkow. »Natürlich war ihr das nicht egal. Aber – ich wollte das nicht weiter betonen, das ist mir wirklich peinlich . . . Ich bin ja auch ein Star. In gewissem Sinne sogar mehr als Alina. ›Ewige Angst‹ war für sie der erste Erfolg, für mich dagegen schon der zweite. Ich war schon früher ein Star, das ist zwar zehn Jahre her, aber ich bin noch bekannt, besonders bei den Filmfans. Rudins Leute von Runiko haben mir noch eher Verträge angeboten als Alina. Wenn also Masurkewitsch seine Einnahmequellen verliert, bleibe ich trotzdem nicht ohne Arbeit.«
»Darf ich erfahren, warum Sie dennoch bei Sirius geblieben sind? Warum sind Sie nicht zu Rudin gegangen?«
»Was hat das mit Alinas Tod zu tun? Wir sind eben nicht gegangen, ist doch egal, warum.«
»Andrej Lwowitsch, ich bestehe auf einer Antwort.«
»Na schön. Wissen Sie, Rudin hat einen schlechten Ruf. Letzten Sommer hat er ein Filmfestival organisiert, Goldener Adler, Sie haben bestimmt davon gehört.«
Korotkow nickte wortlos.
»Also, bei dem Festival sind nacheinander vier Menschen umgekommen – zwei Schauspielerinnen, ein Schauspieler und ein Regisseur. Und anstatt gleich nach dem ersten Mord das Festival abzubrechen und dafür zu sorgen, dass die besten Kriminalisten aus Moskau geschickt werden, hat Boris Jossifowitsch Rudin das Festival seelenruhig zu Ende geführt, auch nach drei weiteren Toten. Sein Sicherheitsdienst ist hundsmiserabel, aber das ist nicht das Ausschlaggebende. Das Ausschlaggebende – er ist ein total amoralischer Typ, verstehen Sie, er wollte es sich nicht mit den Sponsoren verderben, die sich von dem Festival hohe Werbeeinnahmen versprochen hatten. Übrigens hat auch unser Sicherheitschef es abgelehnt, bei Runiko zu arbeiten, er weiß ebenfalls Bescheid über die widerliche Festival-Geschichte. Jedenfalls, die Filmwelt hat über Rudin und seinen Filmkonzern eine Art Boykott verhängt. Darum sind auch Alina und ich . . .«
Er sprach nicht zu Ende, schluckte krampfhaft und zog gierig an seiner Zigarette. Smulow rauchte ohne
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