Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen
Soja Semenzowa sein, einst verdiente Schauspielerin, nun dem Suff verfallene Kleindarstellerin.
»Na los, mein Freund, fang mit ihr an«, sagte Xenija zum Fahrer, als sie angekommen waren. »Ich schaue zu. Und wenn ich es sage, hörst du auf mit ihr und nimmst mich. Abgemacht?«
»Und sie?«, fragte erstaunt der Fahrer, der edel sein wollte. »Sie muss doch auch . . .«
»Nicht nötig«, unterbrach ihn Xenija kalt. »Los, fang an, verlier keine Zeit. Und mach das Licht im Wagen an.«
Der Fahrer klappte folgsam die Lehnen der Vordersitze zurück, öffnete seinen Reißverschluss und beugte sich zu Soja, die ihre Schuhe auf den Boden geworfen hatte und auf dem Rücksitz zusammengerollt friedlich schlummerte. Soja wehrte sich zunächst und konnte nicht begreifen, warum sie anstatt vor ihrer Haustür mitten im Wald geweckt wurde und was dieser Fahrer von ihr wollte. Dann, nach den Standardkoseworten »meine Schöne«, »Süße« und »Kätzchen«, wurde sie weich und machte nicht ungern mit. Im entscheidenden Moment, als Soja kurz vor einer angenehmen, ihr aber nur noch selten zuteil werdenden Empfindung stand, klopfte Xenija dem Fahrer auf den Rücken:
»Schluss, mein Freund, genug, jetzt bin ich dran.«
Sie zerrte die zierliche, magere Soja unsanft aus dem Auto, lüftete ihren weiten Plisseerock, unter dem sie selbstredend keinen Slip trug, und legte sich auf die Rückbank.
Es war großartig! Genau das, was Xenija Masurkewitsch wollte.
Der Fahrer, leicht erstaunt, aber durchaus zufrieden, fuhr seine beiden seltsamen Partnerinnen nach Hause. Am nächsten Tag war Xenija etwas besorgt bei dem Gedanken, die wieder nüchterne Soja könnte sie anrufen. Wer weiß, wie sie sich verhalten würde? Wenn sie nun Krach schlug? Drohte, alles Xenijas Vater zu erzählen? Rollen verlangte oder Geld? Oder, was auch nicht besser wäre, Xenija ihre Freundschaft aufdrängte?
Aber es verging ein Tag, ein zweiter, ein dritter, und Soja machte nicht die geringsten Anstalten, Kontakt aufzunehmen zu Xenija, mit der sie ein derart pikantes und, offen gesagt, etwas schmuddeliges Abenteuer verband. Xenija war zunächst beruhigt, dann verunsichert. Eines Tages nahm ihr Mann sie mit ins Filmzentrum, zur Vorführung des für den Oscar nominierten Films »Basic Instinct«, und dort begegnete sie der Semenzowa. Sie nickte dem Sirius-Präsidenten und seiner Gattin im Vorbeigehen lediglich höflich zu. Ihr Gesicht spiegelte nichts – kein Erkennen, keine Erinnerung, keine Peinlichkeit, keine Scham, keine Verachtung. Überhaupt nichts. Da begriff Xenija, dass Soja sich einfach an nichts erinnerte. Typische Alkohol-Amnesie.
Etwa einen Monat später traf Xenija die Semenzowa im Sirius-Büro. Sie war bereits angeheitert, aber noch durchaus bei sich. Xenija heuchelte Liebenswürdigkeit und Teilnahme, ging mit Soja in ein Lokal in der Nähe und knöpfte sie sich vor. Sie fand heraus, dass Soja sich doch an einiges erinnerte, zum Beispiel daran, dass sie aus der Bar gekommen war, dass Xenija sie angesprochen und ihr angeboten hatte, sie nach Hause zu bringen, und daran, dass sie in ein Auto gestiegen waren. Dann war sie eingeschlafen, und danach – nichts, totaler Filmriss. Sie war erst am nächsten Morgen zu sich gekommen, zu Hause. Xenija, vorsichtig und zugleich entschlossen vorgehend, informierte die Schauspielerin über das, was geschehen war, nachdem sie eingeschlafen war. Selbstverständlich war ihr Bericht meilenweit von der Wahrheit entfernt, ihrer Version zufolge hatte Soja die Initiative ergriffen, alles mit dem Fahrer abgesprochen und sich überhaupt aufgeführt wie eine Sexbesessene. Soja erstarrte vor Scham und trank, während Xenija erzählte, ein Glas nach dem anderen. Anschließend setzte Xenija sie erneut in ein Auto und fuhr mit ihr ins Grüne. Diesmal bekam Soja einiges mit, und es gefiel ihr. Doch am nächsten Tag erinnerte sie sich erneut an nichts. Das heißt, sie erinnerte sich, was sie mit Xenija verabredet hatte, warum sie ein Auto angehalten hatten und wohin sie zusammen gefahren waren. Aber was in Wirklichkeit passiert war – nein, daran erinnerte sie sich absolut nicht.
Seitdem wurde das zur Gewohnheit. Vor anderen taten sie so, als seien sie nur flüchtig miteinander bekannt. Und hin und wieder, etwa einmal im Monat, machte Xenija Soja bis zur Bewusstlosigkeit betrunken, setzte sie in ein Auto und fuhr mit ihr in den Wald. Die Masurkewitsch nutzte die Situation kreativ, sie begnügte sich nicht mehr damit zuzusehen,
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