Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen
Hochzeitstag, sie haben Freunde eingeladen, Mutter plant lauter spektakuläre kulinarische Raffinessen. Was übrig bleibt, gehört wie immer uns. Ich komme also am Freitag mit einem ganzen Auto voller Töpfe und Schüsseln.«
Nach dem Gespräch mit ihrem Mann war Nastja etwas ruhiger und wandte sich wieder Alina Wasnis zu. Dabei verspürte sie Schuldgefühle gegenüber ihren Kollegen: Der Mord an der Schauspielerin war keineswegs der einzige Fall, den die Abteilung Gewalt- und Kapitalverbrechen im Moment bearbeitete, und Nastja musste sich eigentlich auch noch um andere Mordfälle kümmern. Aber sie hatte sich an Alina festgebissen. Das geschah ziemlich häufig: Aus einer Vielzahl von Morden hob Nastja plötzlich einen heraus, der ihr die Ruhe, den Schlaf und den Appetit raubte. In der Regel konnte sie nicht genau sagen, warum gerade dieses Verbrechen sie so quälte, was das Besondere, Außergewöhnliche, Gefährliche daran war. Aber es beschäftigte sie eben unentwegt, verdrängte alle anderen Gedanken aus ihrem Kopf. Ein solcher Fall war auch der Mord an Alina Wasnis.
Gegen sieben meldete sich Charitonow.
»Ist da die Miliz?«, fragte er gehetzt. »Man hat mir übermittelt, ich solle Sie anrufen.«
»Ich heiße Anastasija Pawlowna«, sagte Nastja höflich. »Ich arbeite bei der Kriminalpolizei und befasse mich mit dem Mordfall Alina Wasnis. Ich habe ein paar Fragen an Sie, Nikolai Stepanowitsch.«
»Muss ich zu Ihnen kommen?«
»Nein, nein, das können wir am Telefon erledigen. Sagen Sie bitte, was hatte Alina Wasnis an, als sie Ihnen am Freitagabend die Tür öffnete?«
»Was sie anhatte?« Charitonow war offenkundig verwirrt. »Einen Rock, glaube ich, und eine Bluse. Nein, keine Bluse, ein T-Shirt.«
»Etwas genauer bitte, denken Sie nach. Aus was für einem Stoff war der Rock, welche Farbe hatte er?«
»Na ja, also . . . So ein langer, weiter Rock. Grün, glaube ich, oder irgendwie bunt, aber Grün war auf jeden Fall drin.«
»Und das T-Shirt?«
»Ein ganz normales kurzärmliges weißes Baumwollshirt mit Knöpfen vorn. So eins, das auf den ersten Blick aussieht wie eine Bluse.«
»Gut, Nikolai Stepanowitsch. Sie haben also geklingelt, und Alina machte die Tür auf. Was geschah weiter?«
»Das hab ich doch schon hundertmal erzählt!«, sagte Charitonow ärgerlich. »Schreiben Sie die Zeugenaussagen etwa nicht auf?«
»Nikolai Stepanowitsch, bleiben Sie ganz ruhig. Beantworten Sie bitte meine Fragen.«
»Ich kam in den Flur, holte das Kuvert mit dem Geld aus der Aktentasche und gab es Alina. ›Hier‹, hab ich gesagt, ›zähl nach. Sechs und sechshundert.‹ Sie sah mich so erstaunt an, als hätte ich ihr nicht Dollars gebracht, sondern Rubel. ›Sechs und sechshundert?‹, hat sie gefragt. ›Wie viel denn sonst? Acht Monate zu fünfzehn Prozent, macht hundertzwanzig Prozent. Hundertzwanzig Prozent von dreitausend sind dreitausendsechshundert. Macht zusammen sechstausendsechshundert.‹ Sie lächelte. ›Ach so‹, sagte sie, ›natürlich, das habe ich gar nicht bedacht.‹ Ich habe ihr also das Kuvert gegeben, sie hat es auf die Flurkommode gelegt und mich angesehen. Jedenfalls war klar, dass sie nicht vorhatte, mir einen Tee anzubieten. Das wollte ich auch gar nicht. Ich habe mich bei ihr bedankt, dass sie mir geholfen hatte, mich verabschiedet und bin gegangen. Das ist alles.«
»Sie sagen, Alina habe das Kuvert genommen und gleich auf die Kommode gelegt. Sie hat nicht nachgezählt?«
»Nein. Sie hat das Kuvert nicht einmal geöffnet.«
»Hat Sie das nicht gewundert? Oder war Alina immer so vertrauensselig?«
»Also wissen Sie«, Charitonow schnaufte vor Empörung, »ich bin schließlich kein Gauner und kein Halunke. Wenn ich sage, im Kuvert sind sechstausendsechshundert Dollar, dann brauchte sie das nicht zu überprüfen. Wir arbeiten in einer Firma, da kann ich sie doch nicht betrügen, wie soll ich ihr sonst hinterher in die Augen sehen?«
Charitonows Zorn wirkte so echt und aufrichtig, dass Nastja für einen Augenblick ganz vergaß, dass er Alina das für vier Monate geliehene Geld ganze acht Monate lang nicht zurückgezahlt hatte und ihr sogar aus dem Weg gegangen war. Und das Geld schließlich nur gebracht hatte, weil Smulow auf Alinas Bitte hin ziemlich deutlich geworden war.
»Und wie lange waren Sie in der Wohnung der Wasnis?«
»Höchstens zehn Minuten. Eher fünf.«
»Sie haben sich nur im Flur aufgehalten?«
»Ja. Alina hat mich nicht hineingebeten, und das war auch nicht
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