Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen
Gespräch zuvor nicht als Bedrohung aufgefasst hatte.
»Mit Ihrem Gedächtnis stimmt offenbar etwas nicht«, mischte sich Gmyrja ein, ohne den Kopf vom Protokoll zu heben. »Erst vor zwei Wochen waren Sie bei Ihrer Mutter und haben ihr erneut vorgeworfen, sie habe Sie nie geliebt. Und sie dabei auch an diese Geschichte erinnert.«
»Was tut denn meine Mutter zur Sache? Worauf wollen Sie hinaus?«
»Auf gar nichts«, meldete sich Nastja aus ihrer Ecke friedfertig. »Wir wollen nur begreifen, warum Sie die ganze Zeit die Unwahrheit sagen. Verstehen Sie, wir werden Ihnen jetzt ein paar Fragen stellen müssen, und wir fürchten natürlich, dass Sie uns wieder belügen werden.«
»Was meinen Sie mit Unwahrheit? Seien Sie so gut und drücken Sie sich klarer aus.«
»Mein Gott, Sie lügen doch ständig!«, explodierte Korotkow, wie vom Szenario vorgesehen. »Erst haben Sie Alina angelogen, ihr erzählt, Sie hätten Woloschin getötet, dabei haben Sie ihn in Wirklichkeit laufen lassen und ihm sogar noch Geld geschickt, damit er möglichst lange wegblieb. Dann erzählen Sie uns, Alina hätte gute Nerven gehabt und nie etwas Stärkeres genommen als Baldrian und Hopfentee. Sie lügen doch ständig.«
Nun sollten laut Plan einige Fragen zu anderen Themen folgen, und während Smulow sie beantwortete, sollte ihn der Gedanke quälen, dass sie Woloschin erwähnt hatten. Er musste schnell entscheiden, ob er auf den Köder reagieren sollte oder so tun, als hätte er es überhört, nicht begriffen. Sie würden erst wieder darauf zurückkommen, wenn er »reif« war. Er durfte nicht zur Ruhe kommen, denn dann würde er auf jeden Schlag angemessen reagieren, sich schnell konzentrieren und nicht aus der Fassung geraten. Der Gedanke an Woloschin würde ihn beschäftigen, er würde nervös sein, weil er gleichzeitig über Korotkows gefährliche, wenngleich nur beiläufige Äußerung nachdenken musste und über die Fragen, mit denen Gmyrja ihn bombardieren würde. Und dann, wenn er erschöpft und entkräftet war, konnten sie zum entscheidenden Schlag ausholen. Und zwar aus einer ganz anderen Richtung, als Smulow vermutete.
»Sagen Sie bitte, von welchem Geld wurde die Wohnung gekauft, in der Alina Wasnis lebte?«
»Von welchem Geld wurde ihr Auto gekauft?«
»Die Garage?«
»Hat Alina vielleicht den Schmuck ihrer Mutter verkauft?«
»Was genau? Wann? An wen? Zu welchem Preis?«
»Wie hoch waren Alinas Gagen in Ihren Filmen?«
»Wer machte die Verträge? Was für Beträge standen in den Verträgen? Welche Summe hat Alina versteuert?«
»Bei welcher Bank hatte Alina ihre Ersparnisse? Warum gerade bei dieser Bank? Wer hat ihr zu dieser Art der Anlage geraten?«
»Warum haben Sie Tatossow getötet?«
Andrej Smulow und Alina Wasnis
Solange er denken konnte, hasste er Mischa Tatossow.
Andrej Smulow war die ganzen zehn Schuljahre lang immer Klassenbester gewesen. Er war ein sehr intelligenter, begabter Junge, und das Lernen fiel ihm leicht. Die Lehrer stellten ihn ständig als Vorbild hin, er gewann Stadt- und Kreisolympiaden in Literatur und Geschichte.
Mischa Tatossow stand zwischen Zwei und Drei in Fächern, die ihn nicht interessierten, bessere Noten bekam er lediglich in Chemie und Biologie sowie in Physik, aber nur, als die Optik behandelt wurde. Von allen anderen Gebieten der Physik hatte er keine Ahnung und wollte er nichts wissen. Andrej Smulow lobten die Lehrer, Mischa dagegen liebten sie abgöttisch, sie verwöhnten ihn und verziehen ihm alles, selbst seine unverhohlene Gleichgültigkeit gegenüber ihrem Fach.
Andrej Smulow war der hübscheste Junge der drei Parallelklassen, die Mädchen drehten sich nach ihm um, schrieben ihm Briefchen und warteten bangend auf seine Antwort. Er hatte immer die große Auswahl, aber wenn sein wählerischer Blick auf eine Kandidatin fiel, endete die Sache jedes Mal überraschend und unerklärlich rasch. Er lud das Mädchen höflich ins Kino ein, in den höheren Klassen in die Diskothek, und nach zwei Tagen wollte es nichts mehr von ihm wissen, ging ihm sogar aus dem Weg.
Mischa Tatossow war der Kleinste in der Klasse, hässlich und sommersprossig. Selbstredend drehte sich kein Mädchen nach ihm um oder schrieb ihm Briefchen. Doch wenn ihm ein hübsches Mädchen gefiel, dann handelte er. Wie genau, das wusste niemand, aber nach ein paar Tagen lief das Mädchen Mischa buchstäblich hinterher, und zwar so lange, bis er sie verließ, weil er ein neues Objekt seiner Leidenschaft gefunden
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