Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen
verließ er sie. Er hatte eine neue Passion, noch schöner als Galina. Smulow wartete, dass Galina zu ihm zurückkäme. Er wollte sie zunächst demütigen, ihr eine gebührende Lektion erteilen, dann aber Großmut demonstrieren und sie in seine Arme schließen. Zum Glück, dachte er, haben wir uns ja nicht scheiden lassen. Aber sie kam sonderbarerweise nicht zurück.
Smulow fuhr zu ihren Eltern, nahm Blumen und Pralinen mit und schlug seiner Frau vor, zu ihm zurückzukommen.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Warum denn nicht?«
»Ich werde warten. Vielleicht holt er mich ja zurück.«
»Das wird er nicht! Er hat eine Neue, und auch die wird nicht die Letzte sein.«
»Trotzdem. Zu ihm gehe ich zurück, wenn er mich fragt. Aber zu dir nicht.«
Die Liebe zu Galina verging ziemlich bald. Der Hass auf Tatossow dagegen blieb lebendig, schlug immer tiefere Wurzeln, erstarkte und trieb Blüten. Smulow drehte seinen ersten Film, in den er seinen ganzen Schmerz hineinlegte. Die beiden Protagonisten hatten verblüffende Ähnlichkeit mit ihm selbst und Mischa Tatossow. Ein düsterer Beau, von niemandem verstanden und von allen verdächtigt, ein Mörder sein, und ein fröhlicher, gutmütiger, hässlicher, netter Kerl, den alle vergöttern und der sich am Ende als der Mörder entpuppt, brutal und zutiefst unmoralisch. Ein guter Film, der Smulow berühmt machte. Doch in seinem Innern änderte sich nichts. Er verstand noch immer nicht, warum ihn niemand liebte, warum die Frauen sich so schnell und leicht wieder von ihm trennten, warum er von dumpfer Leere umgeben war. Er wollte so gern geliebt werden!
Mit sechsunddreißig begegnete er Alina. Zunächst verliebte er sich in sie nur, weil sie attraktiv war, und für ihr Innenleben interessierte er sich lediglich, weil er sie dazu bringen wollte, vor der Kamera das zu tun, was ihm vorschwebte. Doch ganz überraschend erntete er ihre Bewunderung und Dankbarkeit. Er bekam von ihr genau das, was er bei anderen Frauen nie gefunden hatte. Er war glücklich.
Alina erzählte ihm nach und nach von ihren Ängsten, von dem Mann, der sie seit frühester Kindheit verfolgte und den sie so fürchtete, dass sie nicht mehr normal leben und arbeiten konnte. Andrej begriff: Alina Wasnis war »seine« Schauspielerin, und er tat alles in seiner Macht Stehende, um ihr zu seelischer Ruhe zu verhelfen. Er liebte sie, weil sie ihn liebte. Ihn vergötterte. Sie hing an seinen Lippen, sog begierig jedes Wort auf. Für sie war er der Allerbeste. Der Allerbegabteste. Dennoch verschwand ihre Angst nicht endgültig. Smulow war verzweifelt.
Eines Tages bekannte Alina voller Bitterkeit:
»Du tust so viel für mich, es tut mir so weh, dass alles so vergebens ist. Wir werden es nicht schaffen.«
»Nicht doch, Liebes«, widersprach Smulow. »Ich bin ja immer bei dir, und solange ich an deiner Seite bin, wird er sich dir nicht nähern.«
»Du kannst nicht immer bei mir sein. Und solange er lebt, werde ich keine Ruhe haben.«
Immer wieder musste Smulow an dieses Gespräch denken. Schließlich begriff er, dass er, Andrej Smulow, ebenfalls keine Ruhe haben würde, solange Mischa Tatossow lebte. Hass und Neid fraßen an ihm, brannten in ihm, nahmen ihm die Luft, vernebelten ihm die Augen. Smulow galt als »ausgebrannt«, als »Ein-Film-Regisseur«. Weil der Hass auf Mischa ihn zwang, in seinen Filmen immer wieder rauszulassen, was er im Herzen trug – die Frage: Warum? Er würde erst aufatmen können, wenn Tatossow tot war. Wenn er niemanden mehr beneiden und hassen musste.
Alina zeigte Smulow mehrmals den Mann, der sie verfolgte.
»Schau, da ist er. Er lauert mir wieder auf.«
»Komm, wir gehen zur Miliz und zeigen ihn an«, schlug Andrej vor. »Ich schnappe ihn mir und bringe ihn aufs Revier. Du erstattest Anzeige, und dann wird er eingesperrt.«
»Wofür? Dafür gibt es doch gar keinen Paragraphen.«
»Unsinn, groben Unfug kann man ihm immer anhängen. Und ihm wäre es eine Lehre.«
»Und was soll ich in der Anzeige schreiben?«
»Was schon? Alles, wie es war.«
»Nein«, sagte Alina erschrocken. »Ich kann das nicht alles erzählen. Ich schäme mich.«
Smulow prägte sich das Gesicht des Mannes gut ein. Da er wusste, dass er irgendwo in der Nachbarschaft von Alinas Eltern wohnte, fand er ihn rasch.
»Hör zu, du Schwein«, sagte er leise und wütend. »Ich gebe dir Geld, aber verschwinde für immer von hier. Kapiert? Ich könnte dich problemlos ins Gefängnis bringen, aber mir tut Alina Leid.
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