Anastasya (German Edition)
kommen war eine Spontanaktion. Wenn ich gewusst hätte, was mich h ier erwartet hätte ich vorher wochenlang Rosen und Vanille gebadet“
Sie durchschaute den Sarkasmus und deutete auf eine Tür. „Zieh dich aus und wasch dich“, befahl sie.
„Du bist nicht meine Mutter“, protestierte ich.
„Sei froh!“ Immer noch deutete sie auf diese Tür. Ich beschloss, einfach aufzustehen und duschen zu gehen, ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie nachgeben würde. „Ich bringe dir etwas anderes zum Anziehen“, erklärte sie. Ich hoffte, dass sich in ihrem Kleiderschrank etwas anderes als Kleider befand. Ich zog mich aus, drehte in der Dusche das Wasser auf und setzte mich hinein. Irgendwie stand ich nicht gern unter der Dusche. Sitzen war eine hervorragende Abwechslung zu der ständigen Herumrennerei. Wenn ich liegen könne, hätte ich mich hingelegt.
Charly kam rein und nahm mir meine Sachen weg. Meine Waffe! Was würde sie tun, wenn sie diese fand? In diesem Moment wünschte ich mir, nicht nackt zu sein.
Nicht, weil ich mich für meinen Körper schämte, sondern einfach weil ich es nicht richtig fand, hier zu sein. Ich hatte eine wildfremde Person in eine Wohnung gebracht, ihr beim „schlafen“ zugesehen. Dann war ihre Schwester gekommen und hatte versucht, mich raus zu werfen, aber ich war geblieben. Wir waren ins Gespräch gekommen und jetzt stand ich nach kaum einer halben Stunde nackt in der Wohnung. Ich stand zwar unter der Dusche, aber das spielte keine Rolle. Immerhin hatte ich ihre Schwester heim gebracht. Das hatte aber sicher nichts mit Dankbarkeit zu tun. Eine Hand wäscht die andere , lautete die Devise.
Es dauerte nicht lange, da kam Charly wieder rein. „Ich hoffe es passt dir“, murmelte sie und verschwand wieder. Ich war ihr so wahnsinnig dankbar, dass sie mich in Ruhe ließ. Was ich trug war mir im Grunde egal. Ich würde vielleicht bald sterben… Vielleicht sollte ich das höflichkeitshalber einmal erwähnen. Es würde Charly sicher interessieren, dass sie eine verdammte in ihrer Wohnung hatte.
Ich stieg aus der Dusche und zog die Sachen an, die sie mir gegeben hatte. Und es war zum Glück kein Kleid. Es war eine ziemlich enge schwarze Jeans und ein weißes Top mit blauem Aufdruck. Wäre ich auf frischen Sauerstoff angewiesen, wäre ich in dem Aufzug erstickt.
Als ich aus dem Badezimmer kam, saß Charly nicht mehr auf dem Sofa. Ich ging in Lenas Zimmer. Da saß sie und… strickte.
„Was soll der Blödsinn?“, fragte ich. Ich konnte nicht einmal stricken! Wozu auch, es war eine sinnlose Beschäftigung für alte einsame Frauen – genau genommen traf diese Beschreibung genau auf Charly zu. Sie sah nicht so aus, als gab es einen Mann in ihrem Leben. Es roch auch nur nach den beiden… und mir… hier in der Wohnung. Entweder war sie so gut, dass sie sich immer einladen ließ und dann bei Morgengrauen verschwand, oder sie war genauso unbefleckt und enthaltsam wie Lena. Ich vermutete letzteres. Es war unvorstellbar, was die zwei von mir halten würden. Entweder war ich ihr Idol oder sie nahmen mich als Musterbeispiel für miserable Erziehung.
Charly legte das Strickzeug weg. „Das mache ich immer, wenn ich unruhig bin. Und momentan beunruhigt es mich, dass sie schläft“
Ich ging zum Bett. Lena schlief wirklich. Das war unheimlich. Ihre blonden Haare waren wie eine Decke über ihre Schultern ausgebreitet. Sie hatte die Augen geschlossen und bewegte sich nicht. Sie atmete gleichmäßig. Das war nur eine Maßnahme um bei den Menschen nicht aufzufallen. Atmen war unnötig, aber hatte sich schon zu einem Zwang entwickelt. Und wenn man länger unter Wasser war, dachte man für einen kurzen Augenblick, man würde ertrinken, doch dann fiel einem ein, dass man ja bereits tot war. Welch Ironie.
„Was genau ist passiert?“, fragte sie mich schließlich. Ich hätte ihr gerne eine Antwort gegeben. Aber ich kannte die Antwort nicht. Das, was dieser Typ mir erzählt hatte, führte nur zu einer Schlussfolgerung. Aber Details wusste ich keine. „Sag‘s mir“, befahl sie. Mir fiel auf, dass Charly ziemlich dominant war.
„Er hat mit ihr geredet und sie dann mitgenommen. Und dann ist er mir entgegen gekommen und hat mir gesagt, dass er sie irgendwo liegen gelassen hat“, erzählte ich ihr. Ihrem Gesichtsausdruck zufolge war ihr übel. Sie sah aus als würde sie mir gleich sämtliche Innereien präsentieren. „Soll ich ein Fenster aufmachen?“, fragte ich. Als ich zum Fenster blickte
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