Anastasya (German Edition)
hingen Poster an den Wänden, das Bett war mit rosa Bezug bezogen, in ihrem Bücherregal fanden sich Liebesromane. Wenn ich ein Buch las, dann musste es irgendetwas gruseliges sein. Am liebsten ein Psychothriller. Denn es gab sowas vielleicht nicht überall, aber mich faszinierte es, wie abartig die menschliche Psyche manchmal sein sollte. Ich hätte bestimmt eine Autobiografie eines Wahnsinnigen gelesen, wenn es sie gäbe. Er gehörte durchaus zu den etwas verstörteren, aber er war genial. Wenn es ihn gegeben hätte, hätte ich sicher einmal mit ihm Karten gespielt.
Lenas gesamte Wohnung hatte etwas Menschliches. Aber nichts normal menschliches, etwas kindlich Menschliches. Ganz leicht düster angehaucht, nur ganz leicht. Mir fiel schnell auf, dass es keine Elektrizität gab, kein Licht, kein Strom. Das erklärte, wieso hier überall Kerzen standen. Und Strom war sowieso überflüssig. Keiner in dieser Wohnung brauchte eine Heizung.
Ich mochte Kerzen genauso wie Regen. Und ich war ihr unendlich dankbar, dass sich bis auf eine einzige keine weitere Duftkerze darunter befand. Diese Duftkerze roch nach Erdbeeren und Kiwi. Ich wusste, wie Erdbeeren und Kiwi rochen, das stand lediglich auf dem Etikett der Kerze und der Geruch war himmlisch.
Zimt - oder Vanillegeruch konnte ich gar nicht ausstehen. Es war so penetrant. Und Rosen machten mich aggressiv, genauso wie der Geruch von Kaffee oder Schokolade. Ekelhaft. Ich konnte mir schon vorstellen, dass es echt cool war, wenn es im Zimmer eines sehr emotionalen Menschen nach Schokolade roch, aber für mich war das ein Alptraum. Wenn ich in einen Raum kam, in dem es nach Schokolade roch, drehte ich gleich wieder um.
Räucherstäbchen waren genau so schlimm. Dieser Würzige Duft passte einfach nicht mehr in die modernen Häuser. Außerdem konnte man dabei das ganze Haus abfackeln… was mich daran erinnerte, dass ich noch etwas vergessen hatte. Ich musste das Haus, in dem ich aufgewachsen war in Brand setzen.
Vielleicht würde Lena mir ja später helfen. Damit ihre weiße Weste endlich einmal ein bisschen Dreck abbekam.
Ich ging zum Bücherregal und suchte mir ein Buch, das halbwegs lesbar war. Dann hockte mich neben dem Bett auf den Boden und fing an, zu lesen. Diese neue Sprache, die jetzt verwendet wurde war auch ziemlich kompliziert. Gut, ich sprach fast alle Sprachen fließend, aber am liebsten war mir immer Russisch gewesen. Nur wurde man zu der Zeit getötet, wenn irgendjemand mitbekam, woher man stammte. Und die Tatsache, dass ich nicht tot war hätte sicher Rätsel aufgebracht.
Ich fragte mich auch, was aus dem guten alten Latein geworden war. Das sprach man auch nicht mehr und das fand ich schade.
Es klang besser als so manche Sprache, die sich daraus entwickelt hatte. Die Welt war einfach nicht mehr die Selbe.
Es dauerte nicht lange, da bekam ich Gesellschaft von Lenas Schwester. Nachdem sie versucht hatte, mich umzubringen, bot sie mir an, hier zu bleiben. Ich wäre ohnehin nicht gegangen. Was ich da machte war zwar Hausfriedensbruch, aber den beging ich fast jeden Tag.
Lenas Schwester hatte schwarze Haare, vermutlich gefärbt, und war einen halben Kopf größer als ich. Sie war auch älter. Und ich erfuhr, dass auch Lena älter war als ich, sie war mir nur so jung vorgekommen, weil sie bei unserer ersten Begegnung wie ein kleines Mädchen geheult hatte.
Sie trug ein zartrosa Kleid das sie aussehen ließ wie eine Prinzessin. Passend zur Farbe der Wände, dachte ich. Der Innenarchitekt konnte nur betrunken oder ziemlich einsam gewesen sein.
„Normalerweise tut sie das nicht, sie hat nur in letzter Zeit so eine Phase“, erklärte Charlotte. Ich fand den Namen komisch, er passte nicht hierher, aber ich durfte sie Charly nennen. Ich kannte ein Pferd, das Charly hieß. Liljana hatte mir immer davon erzählt, dass es pechschwarz und stinkfaul war. Mehr wusste ich nicht von diesem Vieh, aber es reichte mir auch schon. „Ist dir eigentlich schon mal aufgefallen, dass du aussiehst, als hättest du in Blut gebadet?“, fragte sie mich plötzlich. Ich schaute an mir herunter, während ich mir vorstellte, in einer Wanne voller Blut zu liegen. Das wäre unfassbar schön gewesen. Ich wäre dort gerne ertrunken. Ich hatte mich ein bisschen bekleckert, was war da schon dabei… Aber ich konnte mir vorstellen, warum sie so zimperlich war.
„Na und?“
„Rennst du immer so herum?“, fragte sie mich.
Ich schüttelte den Kopf. „Ich muss zugeben, hier her zu
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