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Anastasya (German Edition)

Anastasya (German Edition)

Titel: Anastasya (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Mitterer
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kläglich.
„Das mache ich sonst nie“, sagte ich zu meiner Verteidigung. Ich musste feststellen, dass meine Stimme empört klang.
    „Das glaube ich dir gern“, sagte er mit einem leichten Lächeln.
Ich grinste und setzte mich aufs Bett. Er beobachtete mich. Seine Augen leuchteten. Ich hatte sie noch nie so leuchten sehen.
„Weißt du, dass deine Augen ihre Farbe verändern, wenn du notgeil bist?“
    Er riss die Augen auf, als ich das sagte. Ich schaute ihn an. „A-Anastasya… nicht hilfreich“, stammelte er. „Absolut… nicht… hilfreich“
    Ich verzog das Gesicht. Ich weiß, Marius, ich weiß… Aber was soll ich tun, ich bin nicht Gott, ich kann dich nicht heilen. Niemand kann das.
    „Was ist eigentlich dein Lieblingsfilm?“, fragte er mich plötzlich.
Ich überlegte. Eigentlich hatte ich nie genug fern gesehen, um  einen Film meinen Lieblingsfilm nennen zu dürfen, es war ein Wunder, dass ich es überhaupt einmal geschafft hatte, fern zu sehen. Bisher war das noch nicht allzu häufig vorgekommen, seit ich Daniel verlassen hatte gar nicht  mehr. Aber ich hatte mich grundsätzlich noch nie für so etwas interessiert. Die meiste Zeit lief Werbung über Dinge, die ich sowieso nicht essen konnte, Krankheiten, die ich sowieso nicht kriegen konnte und Probleme, die ich nie haben würde. Vielleicht erwischte ich einfach nur ungünstige Zeitpunkte, aber Teleshopping war nicht gerade das, was ich brauchte.
    „ Irgendetwas mit einem Wolf und einem alten Mann“, erinnerte ich mich an einen der wenigen Filme, die mir gefielen. Ich hatte mir den Film vor kurzem angesehen, weil ich mich gefragt hatte, ob er dem Buch ähnelte, das ich vor mehreren Jahrzehnten gelesen hatte. An den Namen des Autors konnte ich mich ebenfalls nicht erinnern.
    „Warum?“
    „Weil das Buch echt toll ist und der Film auch wahnsinnig gut. Ich hab sogar geweint, wenn ich mich recht erinnere“, ach, ich hasste mich dafür, dass ich mich nicht mehr erinnern konnte.
    „Interessant. Kenne ich nicht“, murmelte er.
    „Ist ein ziemlich al… alter Film“, antwortete ich automatisch. Der Film war ja auch alt, das Buch ebenfalls – Marius allerdings auch! „Was ist dein Lieblingsfilm?“
    „Versprichst du, dass du nicht lachst?“, fragte er und lief rot an.
    Ich nickte grinsend. Oh Gott, was würde jetzt kommen…
    „Eigentlich mag ich richtig altmodische Schnulzen, aber seit den letzten Zehn Jahren auch ein paar Horrorfilme oder Komödien“, antwortete er. „Willst du zum Lachen raus gehen?“, fragte er scherzhaft.
    Ich schüttelte den Kopf.
    So ging das die ganze Nacht. Wir unterhielten uns über dämliche Themen, die wir sonst nie besprochen hätten. Marius unterdrückte seine Gefühle die ganze Zeit, so gut er konnte.
    Er zeigte seine Emotionen kaum, bewegte sich fast nicht und hatte ständig irgendwelche Sprüche auf Lager, um die Konversation am Laufen zu halten.
    Am Ende der Nacht sah er echt fertig aus. Es war anscheinend sehr anstrengend, den eigenen Trieb zu kontrollieren. Es war wunderlich, dass er es überhaupt schaffte.
    Ich hätte es sicher nicht so gut verstecken können, aber ich hatte ihm nicht einmal angemerkt, dass er mich am liebsten angesprungen und sofort genommen hätte.
Marius war ein fabelhafter Schauspieler, wie es schien. Ich vertraute ihm aber, er würde es niemals wagen, mich zu belügen. So etwas würde ihm nicht einmal im Traum einfallen.
    Er war anders. Für ihn war es die größte Genugtuung, stundenlang im Bett zu liegen und mich im Arm zu halten, ohne eine Wort zu sagen. Manchmal wusste er natürlich auch nicht, was er sagen sollte, aber meistens wollte er, glaube ich, einfach nur den Moment genießen.
Natürlich lagen wir nicht tagtäglich im Bett und schwiegen uns an, er verbrachte viel Zeit mit seinen Brüdern, ging jagen, spielte Poker, machte das, was ihm einfiel und hatte auch manchmal ohne mich Spaß.
Ich hatte auch manchmal Zeit für mich, oder verbrachte einen Tag mit Lena.
    Und ich genoss diese Tage, genauso wie er es genoss. Dafür freuten wir uns danach auch wie zwei kleine Kinder, wenn wir uns wieder nahe waren – bei welcher Tätigkeit auch immer.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Teil 3:
     
     
                 
    Die Spitze der Welt
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    -14-
     
     
     
     
     
     
    „Ich möchte jagen gehen“, sagte ich, als diese lange Nacht endlich

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