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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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gefühlt und in den Nächten mit ungeradem vor ohnmächtiger Wut auf jene in meinem Kapitel gekocht, die mich so gründlich missverstanden. Doch vor dem Hintergrund all dessen, was passiert war, erschienen mir solche Sorgen wie der Versuch, weit entfernte Sterne am Tageshimmel zu sehen. Obwohl Orolo nicht mein Vater und ja auch noch am Leben war, hegte ich Spelikon gegenüber Gefühle, wie ich sie einem Mann gegenüber empfinden würde, der vor meinen Augen meinen Vater umgebracht hat. Und meine Gefühle gegenüber Suur Trestanas waren noch düsterer, da ich den Verdacht hatte, dass sie auf irgendeine heimtückische Weise hinter all dem steckte.
    Was hatte Orolo gesehen? Ein paar Hinweise hätten wir vielleicht aus den Berechnungen erhalten können, die Jesry vor der Apert angestellt hatte. Die Regelwartin hatte sie jedoch aus ihrer Nische beschlagnahmt, sodass wir uns nur auf Jesrys Erinnerungen stützen konnten. Er war sich ziemlich sicher, dass Orolo versucht hatte, die orbitalen Parameter eines oder mehrerer Objekte im Sonnensystem zu berechnen. Das hätte normalerweise auf einen Asteroiden in einer heliozentrischen (auf die Sonne zentrierten) Umlaufbahn hingedeutet, die zufällig der von Arbre ähnlich war. Ein Großer-Klumpen-Szenario, mit anderen Worten. Ausgehend von einigen der Zahlen, die gesehen zu haben er sich erinnerte, hatte Jesry jedoch die Ahnung, dass das fragliche Objekt nicht die Sonne, sondern Arbre umkreiste. Das war ausgesprochen ungewöhnlich. In all den Jahrtausenden, seit die Menschen nun das Himmelsgewölbe beobachteten, war nur ein permanenter Mond von Arbre gefunden worden. Es war möglich, dass ein Asteroid in einer sonnenzentrierten Umlaufbahn nah an einem Librationspunkt vorbeikam und in eine arbrezentrierte Umlaufbahn gezogen wurde, aber solche Umlaufbahnen waren alle instabil, und am Ende schlug der Felsbrocken auf Arbre oder dem Mond ein oder wurde aus dem Arbre-Mond-System hinausgeschleudert.
    Es hätte sein können, dass Orolo sich die ein Dreieck bildenden Librationspunkte des Arbre-Mond-Systems angeschaut hatte, an denen Felsbrocken und Staub sich konzentrierten und als schwache
Wolken sichtbar wurden, die vor oder hinter dem Mond in dessen Umlaufbahn um Arbre dahinrasten. Es war jedoch unklar, warum ein solches Projekt bei der Regelwartin auf so viel Feindseligkeit hätte stoßen sollen. Und wie Barb bemerkt hatte, deutete die Ausrichtung des M & M darauf hin, dass Orolo es benutzt hatte, um Bilder von einem Objekt in einer polaren Umlaufbahn zu machen, was bei einem natürlichen Objekt unwahrscheinlich war.
     
    Jesry brachte als Erster von unserer Gruppe den Mut auf, in Worte zu fassen, was das alles bedeutete: »Es ist kein natürliches Objekt. Es wurde von Menschen gebaut und dorthin gebracht.«
    Das Frühjahr hatte noch nicht richtig begonnen. Der Winter war vorbei, aber es konnte immer noch Frost geben; Knollen stießen grüne Triebe durch kristallines Schlammeis. Einige von uns hatten den Nachmittag damit zugebracht, die abgestorbenen Stängel und Ranken unserer Strüppe herunterzuschneiden. Wir ließen sie fast den ganzen Winter hindurch stehen, um der Bodenerosion vorzubeugen und Kleingetier Unterschlupf zu bieten, aber jetzt war die Zeit gekommen, wo wir alles abräumen und verbrennen mussten, um mit der Asche den Boden zu düngen. Nach dem Abendessen waren wir nun in die Dunkelheit hinausgegangen und hatten das über den Tag aufgehäufte Schnittgut angezündet, worauf ein gewaltiges gasiges Feuer aufflammte, das aber nicht sehr lange brennen würde. Jesry hatte eine Flasche mit dem eigenartigen Wein gefunden, den Orolo immer gekeltert hatte, und wir ließen sie herumgehen.
    »Es hätte auch von einer anderen praxischen Zivilisation gebaut worden sein können«, sagte Barb. Technisch gesehen hatte er natürlich recht. Aus persönlicher Sicht ärgerte er uns. Indem er seine Vermutung äußerte, hatte Jesry sich weit aus dem Fenster gelehnt und riskiert, sich lächerlich zu machen. Indem wir ihm zustimmten, stillschweigend oder nicht, nahmen wir dasselbe Risiko auf uns. Das Letzte, was wir gebrauchen konnten, waren Barbs Spekulationen über glupschäugige Weltraummonster.
    Und noch etwas betraf Barb: Er war der Sohn von Quin, der das alles mit seinen indiskreten Bemerkungen über die Vorzüge moderner Spulocorder gewissermaßen angezettelt hatte. Das konnte man schwerlich Barb zur Last legen, aber es hatte doch bei jedem eine negative Assoziation hervorgerufen, die in

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