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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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das nicht der Makronischen Regel zuwider?«, wollte Beller wissen.
    »Doch«, sagte Arsibalt, »aber das ist völlig in Ordnung, solange man nicht auf naive Art und Weise darangeht – so als hätte diese Dame Baritoe nie ein Wort geschrieben. Eine gängige Kritik an den Makronikern lautet, sie hätten nicht viel über reine Theorik gewusst. Viele Theoriker sagen, wenn sie sich Baritoes Arbeiten anschauen: ›Moment mal, hier fehlt doch etwas – wir haben direkten Zugang zu nicht raumzeitlichen Objekten, wenn wir Lehrsätze und Ähnliches beweisen.‹ Die Sachen, die ich in letzter Zeit gelesen habe, handeln alle davon.«
    »Dann kannst du also Gott sehen, indem du Theorik betreibst?«
    »Gott nicht«, sagte Arsibalt, »jedenfalls nicht einen Gott, den irgendeine Arch anerkennen würde.«
    Danach gelang es ihm, das Thema zu wechseln. Er hatte sich – ebenso wie ich – gefragt, was Ferman und den anderen erzählt worden war, als die Machthaber dazu aufgerufen hatten, sich freiwillig zu melden.
    Die Antwort lautete anscheinend: nicht viel. Die säkularen Machthaber hatten ein Problem, das gelöst werden musste – etwas, worin die Avot gut waren. Einige Fraas und Suurs mussten von A nach B transportiert werden, damit sie an diesem Problem arbeiten konnten. Leute wie Ferman Beller waren natürlich neugierig auf uns. In ihren Suvinen hatten sie alles über die Rekonstitution gelernt, und ihnen war klar, dass wir, wenn auch nur sporadisch, eine bestimmte Rolle in dem Prozess zu spielen hatten, der ihre Zivilisation in Gang hielt. Es faszinierte sie, wenigstens ein Mal im Leben mitzubekommen, wie der Mechanismus ausgelöst wurde, und sie waren stolz, ein Teil davon zu sein, auch wenn sie keine Ahnung hatten, warum das geschah.
    Die heißeste Zeit des Nachmittags verbrachten wir im Schatten einer Baumreihe, die einst einem inzwischen verfallenen Bauernhof als Windschutz gedient hatte. Crade hatten wir seit Stunden nicht mehr gesehen, aber Cords Hol war direkt hinter uns gewesen. Manche von uns machten einen kleinen Spaziergang, während andere vor sich hin dösten. Die Berge verdunkelten den Himmel im Nordwesten; wer nicht wusste, dass es Berge waren, konnte sie allerdings auch für eine Gewitterfront halten. Auf ihrer gegenüberliegenden Seite fingen sie einen Großteil der vom Meer hereinwehenden
Feuchtigkeit ab und schleusten sie in den Fluss, der unseren Konzent durchquerte. Dementsprechend war diese Seite ausgedörrt. Von selbst wuchsen hier nur Büschelgras und niedrige duftende Sträucher. Immer wieder hatten die Säkularen Machthaber dieses Gebiet ein paar Generationen lang bewässern lassen, und dann hatten Menschen hier gelebt und Getreide und Gemüse angebaut, aber wir befanden uns gerade im Abschwung eines solchen Zyklus, was am Zustand der Straßen und Bauernhöfe, aber auch daran, was die Kartabla als Städte angab, zu erkennen war. Die alten Bewässerungsgräben waren durch all das verschmutzt, was in ihnen wuchs, nämlich vor allem Dinge mit Dornen, Stacheln und sich lösenden Kletten. Lio und ich machten einen flotten Spaziergang an einem davon entlang, sprachen aber nicht viel, da wir vor Schlangen auf der Hut sein mussten.
    Sammann sah so aus, als hätte er noch mehr zu sagen. Wir beschlossen, die Besetzung der Fahrzeuge so zu ändern, dass er und ich in Cords Hol stiegen, während Lio und Barb in Fermans Mobo wechselten. Barb wollte bei Jad bleiben, aber wir wussten alle, dass Jad seiner Gesellschaft allmählich überdrüssig werden musste, und so bestanden wir auf dem Wechsel. Da Cord genug vom Fahren hatte, übernahm Rosk das Steuer.
    »Ferman Beller kommuniziert mit einer Bazischen Anlage auf einem dieser Berge«, erklärte mir Sammann.
    Das war eine merkwürdige Formulierung, da Baz vor zweiundfünfzig Jahrhunderten geplündert worden war. »Im Sinne von bazisch-orthodox?«, fragte ich.
    Sammann verdrehte die Augen. »Ja.«
    »Eine religiöse Institution?«
    »Oder so etwas.«
    »Woher weißt du das?«
    »Das tut nichts zur Sache. Ich dachte nur, du würdest vielleicht gerne wissen, dass Ganelial Crade nicht der Einzige ist, der ein Motiv hat.«
    Ich erwog, Sammann nach seinem Motiv zu fragen, entschied mich aber dagegen. Er fragte sich wahrscheinlich, wie ein Haufen Bazische Priester einen Ita behandeln würde.
    Mein Motiv war, mir die photomnemonische Tafel anzuschauen, von der ich wusste, dass jeder Insasse dieses Fahrzeugs mit Ausnahme von Cord, die gefahren war, sie studiert haben musste. Ich

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