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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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der Mitte zwischen der Wiedergeburt und den Schrecklichen Ereignissen entdeckt wurde. Die Hochwassermarke der Zivilisation des Praxischen Zeitalters, wenn du so willst. Einige Hundert Jahre zuvor waren die Tore der Alten Mathe aufgestoßen worden, und die Avot waren hingegangen und hatten sich mit den Säkularen – zumeist solchen mit Vermögen und hohem Ansehen – vermischt. Hohe Herren und Damen. Der Globus war zu diesem Zeitpunkt erforscht und kartographisch erfasst. Die Gesetze der Dynamik waren aufgestellt worden und begannen gerade, praxische Verwendung zu finden.«
    »Das Mechanische Zeitalter«, versuchte es Beller, womit er ein Wort hervorkramte, das er sich vor langer Zeit in irgendeiner Suvin hatte einprägen müssen.
    »Ja. Gewitzte Leute konnten damals ihren Lebensunterhalt bestreiten, indem sie nur in Salons herumhingen, über Metatheorik diskutierten, Bücher schrieben und die Kinder von Adligen und Industriellen unterrichteten. Es war die harmonischste Beziehung zwischen, äh …«
    »Uns und euch?«, schlug Beller vor.
    »Ja, seit dem Goldenen Zeitalter von Ethras. Wie auch immer, es gab eine große Dame namens Baritoe, deren Gatte ein dümmlicher Schürzenjäger war, aber keine Sorge, sie nutzte seine Abwesenheit, um in ihrem Haus einen Salon zu führen. Die besten Metatheoriker verstanden es, sich zu einer bestimmten Tageszeit dort einzufinden, wenn die Makronen frisch aus dem Ofen serviert wurden. Über die Jahre kamen und gingen die Leute, sodass Lady Baritoe die einzige Konstante darstellte. Sie schrieb Bücher, aber wie sie selbst stets betonte, können die Gedanken darin keiner bestimmten Person zugeordnet werden. Irgendjemand gab ihnen den Namen Makronisches Denken, und der blieb dann hängen.«
    »Und das alles wurde, sagen wir, einige Hundert Jahre später, eurer Regel einverleibt?«
    »Ja, wenn auch nicht so ganz offiziell. Eher als eine Reihe von Gewohnheiten. Denkgewohnheiten, die viele der neuen Avot bereits angenommen hatten, als sie durch die Tore hereinkamen.«
    »Wie zum Beispiel, nicht an Gott zu glauben?«, fragte Beller.

    Und hier befiel mich – obwohl wir auf ordentlichem, ebenem Untergrund fuhren – ein Gefühl, das ich auch gehabt hätte, wenn wir auf einem Bergpfad mit einem tausend Fuß tiefen Abgrund auf einer Seite gefahren wären, in den Beller uns mit einem Zucken des Lenkrads hätte hinabstürzen lassen können. Arsibalt dagegen war entspannt, worüber ich mich wunderte, weil er in viel weniger gefährlichen Situationen so nervös sein konnte.
    »Das zu untersuchen ist eine Art Kuchenwettessen«, begann Arsibalt.
    Das war ein fluckischer Ausdruck, mit dem Lio, Jesry, Arsibalt und ich das langwierige, undankbare Durchackern eines Bücherstapels bezeichneten. Es brachte Beller völlig auf die falsche Fährte, denn er dachte, wir sprächen von Makronen, sodass Arsibalt hier einen Moment darauf verwenden musste, den Unterschied zwischen diesen beiden Backwaren aufzuzeigen.
    »Ich werde versuchen, es in groben Zügen zu umreißen«, fuhr Arsibalt, nachdem das geschehen war, fort. »Makronisches Denken war ein dritter Weg zwischen zwei unannehmbaren Alternativen. Damals war allgemein bekannt, dass unser ganzes Denken hier oben in unserem Gehirn stattfindet.« Er tippte sich an den Kopf. »Und dass das Gehirn seine Informationen von Augen, Ohren und anderen Sinnesorganen bekommt. Der naive Standpunkt ist nun der, dass unser Gehirn unmittelbar mit der realen Welt arbeitet. Ich betrachte diesen Knopf an deinem Armaturenbrett, ich strecke die Hand aus und fühle ihn …«
    »Fass den nicht an!«, warnte ihn Beller.
    »Ich sehe, dass du ihn siehst und über ihn nachdenkst und komme zu dem Schluss, dass er wirklich da ist, so wie meine Augen und Finger ihn mir präsentieren, und dass ich, wenn ich über ihn nachdenke, über einen realen Gegenstand nachdenke.«
    »Das erscheint mir alles ziemlich offensichtlich«, sagte Beller.
    Darauf entstand eine peinliche Stille, die Beller schließlich durchbrach, indem er – durchaus gut gelaunt – sagte: »Vermutlich hast du es aus dem Grund naiv genannt.«
    »Am entgegengesetzten Ende waren diejenigen, die behaupteten, alles, was wir über die Welt außerhalb unserer Schädel zu wissen glaubten, sei eine Illusion.«
    »Kommt mir vor allem besserwisserisch vor«, sagte Beller, nachdem er ein Weilchen darüber nachgedacht hatte.

    »Die Makroniker fanden das auch nicht sehr einleuchtend. Sie entwickelten, wie gesagt, einen dritten

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