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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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nicht auch nachgeben – seine Form ein wenig verändern kann, wenn die Stoßdämpfer sich biegen.« So verbrachten wir eine Weile damit, uns über die zwanzig flachen, dreieckigen Flächen den Kopf zu zerbrechen, die die Oberfläche
des Raumschiffs bildeten. Ich fand, dass sie ein bisschen komisch aussahen. Irgendwie zerklüftet. Kein glattes Metall, sondern zusammengeflickt.
    »Ich könnte fast schwören, dass es Stuck ist.«
    »Ich wollte gerade Beton sagen«, meinte Cord.
    »Denkt an Schotter«, empfahl Sammann.
    »Gut«, sagte Cord, »Schotter kann irgendwie nachgeben, Beton nicht. Aber wie wird er zusammengehalten?«
    »Da oben fliegen eine Menge kleine Gesteinsbrocken herum«, sagte ich. »In gewisser Hinsicht ist Schotter das am reichlichsten vorhandene feste Ding, das man im Weltraum bekommen kann.«
    »Schon, aber …«
    »Aber das beantwortet deine Frage nicht«, räumte ich ein. »Wer weiß? Vielleicht haben sie so etwas wie ein Netz gewoben, um sie an Ort und Stelle zu fixieren.«
    »Erosionsschutz«, sagte Cord nickend.
    »Was?«
    »Man findet sie an Flussufern, wo sie die Erosion aufhalten sollen. Dazu werden Schottersteine in einen Würfel aus Drahtgeflecht geschüttet, die Würfel aufgestapelt und mit Draht verbunden.«
    »Das ist eine gute Analogie«, sagte ich. »Im Weltraum braucht man auch Erosionsschutz.«
    »Woher weißt du das?«
    »Aus allen Richtungen kommen ständig Mikrometeoriten und kosmische Strahlen. Wenn du dein Raumschiff mit einem Panzer aus billigem Material – also Schotter – umgeben kannst, ist das Problem schon nicht mehr ganz so groß.«
    »He, warte mal«, sagte sie, »die hier sieht anders aus.« Sie zeigte auf eine Fläche, die einen Kreis eingraviert hatte. Sie war uns nicht gleich aufgefallen, weil sie auf einer Seite lag, perspektivisch verkürzt, schwerer zu erkennen. Der Kreis bestand eindeutig aus anderem Material: Ich hatte den Eindruck, dass es hart, glatt und steif war.
    »Nicht nur das«, bemerkte ich, »hier …«
    Sie hatte es auch erkannt: »Fehlen die Stoßdämpfer.« Die drei Kanten um diese Fläche herum waren scharf und einfach.
    »Ich hab’s!«, sagte ich. »Das da ist die Schubplatte.«
    »Die was?«
    Ich erklärte ihr die Sache mit den Atombomben und der Schubplatte.
Was sie wesentlich bereitwilliger akzeptierte, als irgendeiner von uns es getan hatte. Das Raumschiff, das Lio uns in dem Buch gezeigt hatte, war ein Stapel aus Schubplatte, Stoßdämpfern und Mannschaftsräumen gewesen. Das hier war von einer Außenhaut umgeben, die ihm als großer, gleichmäßig verteilter Stoßdämpfer und gleichzeitig als Schutzschild diente. Und, wie mir allmählich klar wurde, als Schleier. Um zu verbergen, was immer in der Mitte aufgehängt war.
    Nachdem wir die Schubplatte – das Heck des Raumschiffs – identifiziert hatten, wurde unsere Aufmerksamkeit natürlich von der Dreiecksfläche am entgegengesetzten oder vorderen Ende, dem Bug, angezogen. Sie war nicht zu sehen. Aber einer der benachbarten Stoßdämpfer war sichtbar. Und irgendetwas stand darauf geschrieben. Eine ordentlich gedruckte Reihe von Glyphen, die eine Inschrift in irgendeiner Sprache sein musste. Einige der Glyphen wie etwa Kreise und einfache Strichkombinationen konnte man ohne weiteres irrtümlich für Schriftzeichen unseres bazischen Alphabets halten. Andere dagegen gehörten zu einem Alphabet, das ich noch nie gesehen hatte.
    Und dennoch waren sie unseren Buchstaben so nah, dass dieses Alphabet einem fast wie ein Verwandter des unseren vorkam. Manche waren wie bazische Buchstaben, nur auf den Kopf gestellt oder spiegelverkehrt.
    Ich schlug die Decke zurück.
    »He!«, beschwerte sich Cord und schloss die Augen.
    Fraa Jad drehte sich um und schaute mir ins Gesicht. Er wirkte ein ganz klein wenig belustigt.
    »Diese Leute« – ich sprach nicht von Außerarbrischen – »sind mit uns verwandt.«
    »Wir nennen sie inzwischen die Cousins«, verkündete Fraa Kriskan, der Hunderter, der neben Fraa Jad saß.
    »Was kann bloß die Erklärung dafür sein?!«, fragte ich – als könnten sie es möglicherweise wissen.
    »Die anderen da haben so ihre Vermutungen darüber angestellt«, sagte Fraa Jad. »Reine Zeitverschwendung – es ist ja sowieso nur eine Hypothese.«
    »Wie groß ist dieses Ding – hat irgendjemand versucht, seine Ausmaße zu schätzen?«, fragte ich.
    »Ich weiß das von den Einstellungen des Teleskops und der Tafel
her«, sagte Sammann. »Es ist ungefähr drei Meilen im

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