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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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gerade heruntergebetet habe, ist nur ein einziger Abschnitt aus einem Buch so dick wie mein Arm. Auch wenn du es als alberne Übung betrachtest, wäre ich dir ausgesprochen dankbar, wenn du mir einfach beschreiben würdest, wie ihr eure Kriminellen auswählt.«
    »Wird meine Antwort in dieses Buch eingehen?«
    »Wenn es eine neue Antwort ist, ja.«
    »Also, wir haben immer noch Doktoren der Rechtswissenschaft, die bei Neumond in versiegelten purpurroten Kästen umherstreifen …«
    »Ja, daran erinnere ich mich.«
    »Aber sie kamen nicht so oft vorbei, wie wir sie brauchten – die Machthaber sind ihrer Aufgabe, sie zu schützen, nicht ausreichend nachgekommen, und manche stieß man Abhänge hinunter. Dann installierten die Machthaber mehr Spulocorder.«
    Fraa Orolo sprang zu einem neuen Blatt. »Wer hat Zugriff auf sie?«
    »Das wissen wir nicht.«
    Wieder blätterte Orolo weiter, doch bevor er die richtige Seite gefunden hatte, fuhr Quin fort: »Wenn aber jemand ein genügend schweres Verbrechen begeht, klemmen die Machthaber ihm etwas an die Wirbelsäule, was ihn für eine Weile zu einer Art Krüppel macht. Später fällt es ab, und er ist wieder normal.«
    »Tut das weh?«
    »Nein.«
    Eine neue Seite. »Wenn du jemanden mit einer solchen Vorrichtung siehst, kannst du dann sagen, welches Verbrechen er begangen hat?«
    »Ja, das steht drauf, in Kinagrammen.«
    »Diebstahl, Überfall, Erpressung?«
    »Klar.«
    »Aufwiegelung?«

    Quin wartete lange, bevor er sagte: »Das habe ich noch nie gesehen.«
    »Ketzerei?«
    »Das wäre wahrscheinlich ein Fall für den Himmelswart.«
    Fraa Orolo warf die Hände so hoch, dass seine Kulle ihm vom Kopf fiel und sogar eine seiner Achselhöhlen entblößte. Dann nahm er sie wieder herunter, um sie besser vors Gesicht schlagen zu können. Es war eine sarkastische Geste, die er gerne in einem Schreibsaal machte, wenn ein Fid unglaublich einfältig war. Quin verstand offensichtlich ihre Bedeutung und wurde verlegen. Er rutschte auf seinem Stuhl zurück und hob das Kinn in Richtung Decke, dann senkte er es wieder und betrachtete das Fenster, das er reparieren sollte. Doch irgendetwas an Fraa Orolos gewaltiger Geste war komisch und vermittelte Quin den Eindruck, dass alles in Ordnung war.
    »Gut«, sagte Quin schließlich, »so habe ich es noch nie gesehen, aber jetzt, wo du es erwähnst, wir haben drei Systeme …«
    »Die Burschen in den purpurroten Kästen, die Wirbelsäulenklammern und dieses neue Ding namens Himmelswart, von dem weder ich noch Fraa Erasmas je gehört haben«, sagte Fraa Orolo und begann, seinen Fragebogen gründlich zu durchsuchen.
    Handwerker Quin war ein Gedanke gekommen. »Ich habe sie nie erwähnt, weil ich dachte, du wüsstest alles über sie!«
    »Weil sie«, ergänzte Fraa Orolo, nachdem er die gesuchte Seite gefunden und überflogen hatte, »behaupteten, sie kämen vom Konzent … und brächten wenigen Auserwählten die Erleuchtung der mathischen Welt.«
    »Genau. Stimmte das denn nicht?«
    »Nein, das stimmte nicht.« Da Orolo sah, wie bestürzt Quin war, fuhr er fort: »So etwas passiert alle paar hundert Jahre. Da taucht irgendein Scharlatan auf und begründet einen Anspruch auf Säkulare Macht mit einer Verbindung zur mathischen Welt – die zufällig falsch ist.«
    Die Antwort auf die folgende Frage kannte ich, bevor ich damit herausplatzte: »Handwerker Flec – ist er ein Anhänger, ein Schüler des Himmelswarts?«
    Quin und Orolo richteten, aus unterschiedlichen Gründen gespannt, beide den Blick auf mich. »Ja«, sagte Quin. »Während der Arbeit hört er ihre Sendungen.«

    »Deshalb hat er auch einen Spulo von der Provene gemacht«, sagte ich. »Weil dieser Himmelswart behauptet, zu uns zu gehören. Wenn es an diesem Ort hier irgendetwas Geheimnisvolles oder … Großartiges gibt, tja, dann lässt das den Himmelswart umso größer und mächtiger erscheinen. Und soweit Handwerker Flec ein Schüler des Himmelswarts ist, meint er, dass etwas davon auch ihm gehört.«
    Orolo schwieg, was mich damals verlegen machte. Als ich jedoch später darüber nachdachte, wurde mir klar, dass er gar nichts hatte sagen müssen, weil das, was ich gesagt hatte, offensichtlich stimmte.
    Quin sah ein wenig verwirrt aus. »Flec hat keinen Spulo gemacht.«
    »Wie bitte?«, sagte ich.
    Fraa Orolo war in Gedanken noch bei dem Himmelswart.
    »Sie haben es nicht erlaubt. Sein Spulocorder war zu gut«, erklärte Quin.
    Da Fraa Orolo alt und weise war, erstarrte er,

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