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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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die Zampanos. »Und das ist für uns nur sehr schwer festzustellen. Ich weiß es jedenfalls nicht. Das ist genau das, wofür das Amt des Wehrwarts geschaffen wurde, und ich bin sicher, dass Fraa Delrakhones, während wir uns hier unterhalten, schon an dem Problem arbeitet.«
    »Führt das womöglich zu … du weißt schon …« »Einer Verheerung? Lokal oder allgemein? Ich bin überzeugt, dass es nicht in Nummer Vier gipfeln wird. Fraa Delrakhones hätte schon Hinweise von anderen Wehrwarten bekommen. Selbst eine lokale Verheerung ist unwahrscheinlich. Was mich nicht überraschen würde, wären einzelne Schlägereien in der Zehnten Nacht, aber deswegen bereiten wir uns ja auf die Apert vor, indem wir alle Sachen, die uns wirklich wichtig sind, in die Labyrinthe räumen.«
    »Du hast zu Quin gesagt, radikale Veränderungen extramuros seien zwei Mal in Verheerungen kulminiert«, erinnerte ich ihn.
    Fraa Orolo ließ einen Moment verstreichen und sagte: »Ja?« Dann
setzte er, bevor ich weiterreden konnte, das Fröhlicher-Fraa-Gesicht auf, das er immer benutzte, wenn er versuchte, einen Schreibsaal voll gelangweilter Fids bei Laune zu halten. »Du machst dir nicht allen Ernstes Sorgen über Nummer Vier, oder?«
    Ich mordete eine Karotte und sagte Diax’ Rechen drei Mal leise vor mich hin.
    »Drei allgemeine Verheerungen in 3700 Jahren ist nicht schlecht«, bemerkte er. »Die Statistik für die säkulare Welt ist viel beunruhigender.«
    »Ich habe mir ein bisschen Sorgen darüber gemacht«, gestand ich. »Aber das wollte ich gar nicht fragen, als du mir vorhin auf die Kefedokhlestour gekommen bist.«
    Orolo schwieg, vielleicht, weil ich nach einem großen Messer griff. Ich war müde und gereizt. Zuvor hatte ich eine Faust in meine Sphär gestoßen, um einen Scheffel daraus zu machen, und mich in die dem Klostrum am nächsten gelegenen Strüppe gewagt, nur um dort festzustellen, dass sie bereits abgeerntet worden waren. Um alles zu finden, was wir für den Eintopf brauchten, musste ich den Fluss überqueren und einige der Strüppe zwischen ihm und der Mauer plündern.
    Ich schnappte mir eine hart erkämpfte Karotte und richtete sie gen Himmel. »Du hast mir nur etwas über die Sterne beigebracht«, sagte ich. »Geschichte habe ich von anderen gelernt – hauptsächlich von Fraa Korlandin.«
    »Er hat dir wahrscheinlich gesagt, die Verheerungen seien unsere Schuld gewesen«, sagte Orolo – wobei er das Wort unsere , wie mir auffiel, auf sehr dehnbare Weise benutzte, um damit alle Avot bis zurück zu Ma Kartas einzubeziehen.
    Manchmal, wenn ich mit Distelkopf plauderte, streckte er die Hand aus und schubste mich leicht am Schlüsselbein, und schon ruderte ich mit den Armen, wobei mir klar war, dass ein weiterer Schubs mich ins Wanken bringen würde. Das war Lios charmante Art, mich darauf aufmerksam zu machen, dass mein Stand seinen Thalkundebüchern zufolge nicht richtig war. Ich hielt das für Unsinn. Mein Körper dagegen schien Fraa Lio immer zuzustimmen, da er überreagierte. Einmal hatte ich bei dem Versuch, das Gleichgewicht wiederzuerlangen, einen Muskel tief in meinem Rücken gezerrt, der danach drei Wochen lang wehgetan hatte.
    Fraa Orolos letzter Satz berührte meinen Verstand auf ähnliche
Weise. Und auf ähnliche Weise reagierte ich über. Mein Gesicht lief rot an, und mein Herzschlag beschleunigte sich. Es war genau wie der Moment in einem Dialog, wo Thelenes seinen Gesprächspartner mit einem Trick dazu gebracht hat, etwas Dummes zu sagen, und sich anschickt, ihn wie eine Karotte auf einem Brett in Scheiben zu schneiden.
    »Auf jede Verheerung folgte doch eine Reform, oder?«, sagte ich.
    »Lass uns mit dem Rechen über deinen Satz gehen und sagen, dass jede Verheerung zu Veränderungen in den Mathen geführt hat, die bis heute zu beobachten sind.«
    Dass Fraa Orolo jetzt so redete, bestätigte, dass wir uns im Dialog befanden. Die anderen Fraas hörten auf, Kartoffeln zu schälen und Kräuter zu hacken und sammelten sich um uns herum, um zuzuschauen, wie ich geebnet wurde.
    »Gut, nenn sie, wie du willst«, sagte ich und schnaubte, weil ich mir eine Blöße gegeben hatte; es war dasselbe, wie wenn ich nach einem kleinen Knuff von Fraa Lio auf den Hintern fiel. Ich hätte Kefedokhles nie ins Spiel bringen dürfen.
    Unwillkürlich warf ich einen Blick aus dem Fenster. Die Küche ging nach Süden in einen Kräutergarten, der den größten Teil der Fläche zwischen ihr und den nächstgelegenen Strüppen

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