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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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fändest, alle kausalen Verbindungen zur extramurischen Welt zu kappen?«
    »Das ist völlig lächerlich. Du tust ja so, als wären diese Leute so was wie Inkantoren.«
    »Wenn es aber die Möglichkeit gäbe, dann würde der eigene Math zu einem getrennten Universum, und seine Zeit würde nicht mehr synchron zu der der übrigen Welt vergehen. Damit würde die Kausaler-Bereich-Scherung möglich …«
    »Nettes Gedankenspiel«, sagte ich. »Kapiert. Danke für die Kalka. Aber bitte sag mir, dass du nicht tatsächlich erwartest, einen Beweis für KBS zu finden, wenn die Tore aufgehen!«
    »Man soll gerade nach dem Ausschau halten«, sagte er, »was man nicht erwartet.«
     
    »Habt ihr in euren Wigwams oder Zelten oder Wolkenkratzern oder worin immer ihr wohnt …«
    »Zum größten Teil Wohnwagen ohne Räder«, sagte Handwerker Quin.
    »Sehr gut. Habt ihr darin üblicherweise Dinge, die denken können, aber nicht menschlich sind?«
    »Eine Zeitlang schon, aber sie sind alle kaputtgegangen, und dann haben wir sie weggeworfen.«
    »Könnt ihr lesen? Und damit meine ich nicht bloß die Interpretation von Logotype …«
    »Das benutzt niemand mehr«, sagte Quin. »Du sprichst von den Symbolen auf deiner Unterwäsche, die dir raten, kein Bleichmittel zu benutzen. So was in der Art.«
    »Wir haben keine Unterwäsche und kein Bleichmittel – nur die Kulle, die Kord und die Sphär«, sagte Fraa Orolo und tätschelte das Stück Stoff, das er sich über den Kopf geworfen hatte, die um seine Taille geknotete Schnur und die Sphär unter seinem Hinterteil. Das war ein schwacher Witz auf unsere Kosten, um Quin die Befangenheit zu nehmen.
    Quin stand auf und schüttelte seinen langen Körper so, dass ihm die Jacke von den Schultern rutschte. Er war kein kräftig gebauter Mann, hatte aber Muskeln von der Arbeit. Mit einer wirbelnden Bewegung holte er die Jacke vor seinen Körper und schob mit den Daumen verschiedene Schildchen vor, die hinten in den Kragen eingenäht waren. Ich konnte das Logo einer Firma sehen, das ich
von vor zehn Jahren kannte, obwohl sie es inzwischen vereinfacht hatten. Darunter befand sich ein Gitter mit winzigen bewegten Bildern. »Kinagramme. Durch sie ist Logotype unmodern geworden.«
    Ich kam mir alt vor: ein neues Gefühl für mich.
    Orolo war neugierig gewesen, bis er die Kinagramme gesehen hatte; jetzt wirkte er enttäuscht. »Oh«, sagte er in mildem, höflichem Ton, »du erzählst Scheißdrökh.«
    Ich wurde verlegen. Quin war überrascht. Dann lief er rot an. Es sah aus, als redete er sich ein, verärgert zu sein.
    »Fraa Orolo hat nicht gesagt, was du denkst!«, sagte ich zu Quin und versuchte, das noch mit einem Glucksen zu unterstreichen, das jedoch als Keuchen herauskam. »Das ist ein altes orthisches Wort.«
    »Es klang sehr wie …«
    »Ich weiß! Aber Fraa Orolo hat das Wort, an das du denkst, völlig vergessen. Er hat etwas ganz anderes gemeint.«
    »Was hat er denn gemeint?«
    Fraa Orolo nahm erstaunt zur Kenntnis, dass Quin und ich über ihn sprachen, als wäre er gar nicht da.
    »Er meint, dass es zwischen Kinagrammen und Logotype eigentlich gar keinen Unterschied gibt.«
    »Aber es gibt einen«, sagte Quin, »sie sind unvereinbar.« Jetzt war sein Gesicht nicht mehr rot; er holte Luft und dachte eine Minute darüber nach. Schließlich zuckte er die Achseln. »Aber ich verstehe, was du meinst. Wir hätten weiterhin Logotype verwenden können.«
    »Warum glaubst du dann, dass es unmodern geworden ist?«, fragte Orolo.
    »Damit sich die Leute, die uns die Kinagramme gebracht haben, einen Marktanteil sichern konnten.«
    Orolo runzelte die Stirn und dachte über diesen Satz nach. »Das klingt auch nach Scheißdrökh.«
    »Damit sie Geld verdienen konnten.«
    »So ist es. Und wie haben diese Leute ihr Ziel erreicht?«
    »Indem sie die Verwendung von Logotype immer schwerer und die der Kinagramme immer leichter machten.«
    »Wie ärgerlich. Warum haben die Leute keinen Aufstand gemacht?«
    »Mit der Zeit hat man uns vorgegaukelt, die Kinagramme seien wirklich besser. Ich nehme also an, du hast recht. Es ist tatsächlich Scheiß…« Doch mitten im Wort brach er ab.

    »Du kannst es ruhig sagen. Es ist kein schlechtes Wort.«
    »Nun, ich werde es nicht sagen, weil es mir falsch vorkommt, es hier an diesem Ort zu sagen.«
    »Wie du willst, Handwerker Quin.«
    »Wo waren wir stehen geblieben?«, fragte Quin, um sich die Frage gleich selbst zu beantworten: »Du hast mich gefragt, ob ich lesen könne,

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