Anathem: Roman
und gemurmelt: »Na gut. Mach die Schleusen auf.«
»Nun. Ein kausaler Bereich ist einfach eine Sammlung von Dingen,
die durch gegenseitige Ursache-Wirkungsbeziehungen miteinander verbunden sind.«
»Ist denn nicht alles im Universum so miteinander verbunden?«
»Kommt drauf an, wie ihre Lichtkegel angeordnet sind. Dinge in unserer Vergangenheit können wir nicht beeinflussen. Manche Dinge sind zu weit entfernt, als dass sie uns auf eine Weise beeinflussen könnten, die zählt.«
»Dennoch kann man zwischen kausalen Bereichen eigentlich keine harten, schnellen Abgrenzungen vornehmen.«
»Im Allgemeinen nicht. Du bist aber viel stärker durch Ursache und Wirkung mit mir vernetzt als mit einem Außerarbrischen in einer fernen Galaxie. Je nachdem, welches Maß an Annäherung du auszuhalten bereit bist, könntest du sagen, dass du und ich zusammen in einen kausalen Bereich gehören, und der Außerarbrische in einen anderen.«
»Gut«, hatte ich gesagt, »welches Maß an Annäherung bist du denn bereit auszuhalten, Pa Orolo?«
»Nun, der Sinn eines Lebens in einem abgeschiedenen Math besteht darin, unsere kausalen Verbindungen zur extramurischen Welt auf ein Minimum zu reduzieren, stimmt’s?«
»Sozial, ja. Kulturell, ja. Sogar ökologisch. Aber wir benutzen dieselbe Atmosphäre, wir hören dieselben Mobos vorbeifahren – auf rein theorischer Ebene gibt es überhaupt keine Trennung!«
Anscheinend hatte er mich nicht gehört. »Wenn es ein anderes, vollkommen von uns getrenntes Universum gäbe – keine wie auch immer gearteten kausalen Verbindungen zwischen Universum A und B -, würde die Zeit zwischen ihnen dann in derselben Geschwindigkeit vergehen?«
»Das ist eine bedeutungslose Frage«, hatte ich nach kurzer Überlegung geantwortet.
»Komisch, mir erschien sie bedeutungsvoll«, erwiderte er, leicht verärgert.
»Nun, das hängt davon ab, wie du die Zeit misst.«
Er hatte gewartet.
»Es hängt davon ab, was Zeit ist !«, hatte ich gesagt. Ich hatte ein paar Minuten damit verbracht, verschiedene Erklärungswege einzuschlagen, die sich jedoch alle als Sackgassen erwiesen hatten.
»Nun«, hatte ich schließlich gesagt, »vermutlich muss ich zur Waage greifen. In Ermangelung eines guten anderslautenden Arguments
muss ich die einfachste Antwort wählen. Und die besagt, dass die Zeit in Universum A und B jeweils unabhängig voneinander vergeht.«
»Weil sie getrennte kausale Bereiche sind.«
»Ja.«
Darauf hatte Orolo gesagt: »Was, wenn diese zwei Universen – jedes so groß und alt und kompliziert wie unseres – vollkommen voneinander getrennt wären, bis auf ein einziges Photon, das es irgendwie geschafft hätte, zwischen ihnen hin und her zu reisen? Würde das ausreichen, um die Zeit von A und B auf ewig in perfekten Gleichschritt zu zerren?«
Ich hatte geseufzt, wie ich es immer tat, wenn sich eine von Orolos Fallen über mir schloss.
»Oder«, fuhr er fort, »ist es möglich, dass es zwischen kausalen Bereichen, die nur lose miteinander verbunden sind, eine kleine Zeitabweichung – eine Scherung – gibt?«
»Du willst mir also einreden – um auf deine Befragung von Handwerker Flec zurückzukommen -, dass du nur überprüfen wolltest, ob auf der anderen Seite dieser Mauer tausend Jahre hätten vergehen können, während auf dieser Seite nur zehn verstrichen sind?!«
»Ich dachte, es kann nicht schaden, Nachforschungen anzustellen«, hatte er gesagt. Dann hatte sein Gesicht einen Ausdruck angenommen, als läge ihm noch etwas anderes auf der Zunge. Etwas Schelmisches. Bevor er es jedoch sagen konnte, war ich ihm zuvorgekommen:
»Oh. Hat das etwas mit deinen verrückten Geschichten über den wandernden Zehntausendjahremath zu tun?«
Als wir noch nicht lange Fids gewesen waren, hatte Orolo einmal behauptet, er hätte einen Fall in der Chronik gefunden, wo ein Tor sich knirschend geöffnet hätte und ein paar Avot herausspaziert wären und behauptet hätten, sie seien Zehntausender, die eine Apert feierten. Was lächerlich war, weil es Avot in ihrer gegenwärtigen Form (damals) erst seit 3682 Jahren gegeben hatte. Also hatten wir angenommen, dass er mithilfe dieser Geschichte nur hatte sehen wollen, ob wir in unseren Geschichtsstunden überhaupt aufpassten. Vielleicht hatte in der Geschichte aber auch eine tiefere Bedeutung gelegen.
»In zehn Jahrtausenden kann man eine Menge zustande bringen, wenn man sich darauf konzentriert«, hatte Orolo gesagt. »Was wäre,
wenn du eine Möglichkeit
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