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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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um eine nach Norden führende Straße zu finden, die sich nicht irgendwo vor den Bergen verlor. In der ersten Stadt an dieser Straße brauchte ich meine Geldkarte auf, um Treibstoff, Essen und warme Kleider zu kaufen. Danach brauchte ich Fraa Jads auf.
    Während wir unsere Sachen in den Hol luden, hielt Ganelial Crade neben uns an. Auf dem Beifahrersitz saß Sammann. Beide grinsten, was es bisher nicht gegeben hatte. Sie brauchten nicht zu verkünden, dass sie mit uns kämen, und wir brauchten nicht darüber zu diskutieren. Eilig machten sie sich daran, die Art von Sachen zu kaufen, die wir gerade gekauft hatten. Crade besaß eine Munitionsdose voller Münzen, und Sammann hatte in seinem Nicknack Informationen, die anstelle von Geld einsetzbar waren; ich hatte das Gefühl, dass sie beide Mittel von ihrer jeweiligen Gemeinschaft erhalten hatten. Über das Wiedersehen mit Crade war ich gar nicht erfreut. Wenn es wirklich stimmte, dass die Leute von Samble ihm Geld für diese Reise gaben, warf das alle möglichen Fragen darüber auf, was er tatsächlich im Schilde führte.
    Crade hatte das motorisierte Dreirad wieder auf der Ladefläche seines Hols installiert, sodass er nicht viel Platz übrig hatte; von den sperrigen Sachen wanderte das meiste in Cords Hol. Wir hatten keine Ahnung, wohin wir fuhren oder worauf wir uns einstellen sollten, aber grob gesehen schienen wir alle dasselbe Bild im Kopf zu haben, nämlich, dass Orolo aus irgendeinem Grund hinauf in die Berge gegangen war. Dort oben würde es kalt sein, und wir würden vielleicht zelten müssen, also besorgten wir uns Dinge wie Winterschlafsäcke, Zelte, Campingkocher und Treibstoff. Sammann hatte eine Idee, wie er Orolo womöglich aufspüren könnte, und Crade
hatte vor, bei einigen seiner Glaubensbrüder auf dem Weg Erkundigungen einzuholen.
    Wir stiegen alle wieder in unsere Fahrzeuge und brachen auf gen Norden. Bis zu den Ausläufern der Berge, wo Crade Plätze zum Zelten kannte, würden wir zwei Stunden brauchen. Er fuhr voraus. Das war etwas, wozu er einen regelrechten Drang verspürte, und ich hatte keine Lust mehr, dagegen anzugehen. Cord war es recht, ihm zu folgen. Crade so aufrecht am Steuer sitzen und Sammann über das leuchtende Display seines Super-Nicknacks gebeugt zu sehen, gab uns das Gefühl, dass sie sich um alle Einzelheiten kümmerten. Mir wäre nicht wohl dabei gewesen, nur hinter einem von beiden herzufahren, aber zusammen würden sie sich über nichts einig werden, sodass es mir nicht unvorsichtig erschien.
    Ich bedauerte es, mich von Leuten wie Arsibalt und Lio trennen zu müssen, mit denen ich über alles Mögliche reden konnte. Doch als wir erst einmal nach Norden abgebogen waren und uns auf den Weg in die Berge gemacht hatten, wich das Bedauern und machte Erleichterung Platz. So viel war mir im Verlauf der letzten vierundzwanzig Stunden enthüllt worden – nicht nur über das Raumschiff der Cousins, sondern mehr noch über die Welt, in der ich zehneinhalb Jahre gelebt hatte -, dass ich es gar nicht alles auf einmal verstehen konnte. Um nur ein Beispiel zu nennen, allein die strohgedeckten Dächer über den Zylindern mit dem atomaren Abfall – wenn ich davon im Konzent erfahren hätte, hätte ich ganz schön Zeit gebraucht, mich daran zu gewöhnen. Da fühlte ich mich doch hier neben meiner Blutsverwandten viel wohler, wo ich zum Fenster hinausstarren konnte und keine andere Verpflichtung hatte als die, einem wilden Fraa durch die Einöde nachzujagen. In der Nacht zuvor, in dem bazischen Kloster, hatte ich gewisse neue, sonderbare Tatsachen einfach im Schlaf in mein Bewusstsein aufgenommen. Vielleicht funktionierte ein ähnlicher Trick ja auch jetzt: Indem ich ein paar Tage lang etwas völlig anderes tat, könnte ich zufällig auf hilfreichere Erkenntnisse stoßen, als wenn ich in einer Zelle kniete und mich darauf konzentrierte oder an einer wortreichen Diskussion in einem Schreibsaal teilnahm.
    Und selbst wenn das alles völlig falsch war, es war mir egal. Ich brauchte einfach eine Pause.
    Cord verbrachte viel Zeit damit, über das Nicknack mit Rosk zu sprechen. Sie hatte ihm auf dem Dorfanger von Samble einen Abschiedskuss
gegeben. Er musste nach Hause fahren, um wieder zu arbeiten. Jetzt gab es aber Themen irgendwelcher Art, die besprochen werden mussten. Allerdings führten sie nicht nur ein einziges langes Gespräch am Nicknack, sondern stellten ungefähr zehn Mal die Verbindung her, um sie nach kurzer Zeit wieder abzubrechen.

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