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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Das ging mir auf die Nerven, und ich wünschte, wir kämen in irgendeine wilde Gegend, in der ihre Verbindung nicht funktionierte. Nach einer Weile gewöhnte ich mich jedoch daran und begann mich zu fragen: Wenn Rosk und Cord für eine Trennung von wenigen Tagen so viel zu regeln hatten, was bedeutete das für mich und Ala? Ich musste ständig an den entsetzten Blick denken, mit dem Tulia mich bei unserer Abfahrt nachmittags zuvor bedacht hatte. Zum Teil erklärte er sich bestimmt daraus, dass sie fand, ich sei gemein zu Ala.
    »Gibt es zur Zeit irgendeine Möglichkeit, Briefe zu verschicken?«, fragte ich Cord während einer Verschnaufpause zwischen zwei Mikrogesprächen mit Rosk.
    »Ganz einfach dürfte es von hier aus nicht sein, aber die Antwort lautet ja«, sagte sie. Dann legte sich ein breites Grinsen auf ihr Gesicht. »Willst du einem Mädchen schreiben, Raz?«
    Da ich Ala ihr gegenüber nie erwähnt und meine Frage auf so neutrale Weise gestellt hatte, war ich erst schockiert und dann ziemlich verärgert darüber, dass sie das ohne jede Mühe herausgefunden hatte. Sie amüsierte sich immer noch über meinen Gesichtsausdruck, als ihr Nicknack piepte und mir ein paar Minuten schenkte, um mich wieder zu fangen.
    »Erzähl mir von ihr«, verlangte Cord, sobald sie die Verbindung wieder abgebrochen hatte.
    »Ala. Du hast sie kennen gelernt. Sie ist diejenige …«
    »Ich erinnere mich an Ala. Sie gefiel mir!«
    »Tatsächlich? Das war mir gar nicht klar.«
    »Wie so vieles andere«, sagte Cord auf so ungezwungene, unschuldige Art, dass es mir fast entgangen wäre. Worauf ich erst einmal einen Moment mit ehrfürchtigem Schweigen verbringen musste.
    »Sie und ich haben uns unser ganzes Leben lang ziemlich gehasst«, sagte ich. »Vor allem in letzter Zeit. Dann haben wir etwas angefangen. Das war ziemlich unerwartet. Aber wirklich wunderschön.«
    Cord schenkte mir ein dankbares Lächeln, worauf wir beinahe von der Straße abgekommen wären.

    »Am nächsten Tag wurde sie evoziert. Das war noch bevor wir wussten, dass es zu einer großen Konvox kommen würde, und so war sie für mich erst einmal tot. Das hat mich, glaube ich, ziemlich durcheinandergebracht. Mithilfe von Arbeit habe ich es verdrängt. Als ich gestern evoziert wurde – was mir jetzt vorkommt, als wäre es zehn Jahr her -, eröffnete mir das die Möglichkeit, sie vielleicht wiederzusehen. Doch dann beschloss ich wenige Stunden später, diesen kleinen Umweg zu machen – der soeben zu einem größeren Umweg wurde. Technisch gesehen bin ich jetzt eigentlich ein Efferat und werde sie wegen der Art, wie ich Fraa Jad mit mir umspringen lasse, vielleicht nie wiedersehen. Man könnte also schon meinen, dass die Dinge kompliziert sind. Schwer zu sagen, wie viel Zeit ich mit ihr am Nicknack verbringen müsste, um das wieder in Ordnung zu bringen.«
    Cord nahm einen weiteren Anruf von Rosk an, und als sie fertig war, hatte ich noch mehr für sie: »Wohlgemerkt, ich jammere nicht nur über meine eigene Situation hier. Alles ist durcheinandergeraten. Das ist die größte Umwälzung seit der Dritten Verheerung. Es sind so viele merkwürdige Dinge im Gange – das macht die Regel beinahe zur Farce.«
    »Aber dein Weg ist nicht einfach diese Sammlung von Vorschriften«, sagte Cord. »Er ist, wer du bist – du folgst diesem Weg aus höheren Erwägungen heraus. Und solange du diesen treu bleibst, wird die Verwirrung, von der du sprichst, sich am Ende auflösen.«
    Das wäre für mich völlig in Ordnung gewesen, hätte es nicht ein Problem gegeben: Es klang wie die Mentalität, die Edhariern von Leuten vorgeworfen wurde, die an dieses ganze Stammlinienzeug glaubten, von dem Kriskan uns erzählt hatte. Deshalb riet mir ein Instinkt, nichts zu sagen.
    Dann ließ Cord die Falle über mir zuschnappen: »Und genauso könntest du dich verrückt machen, indem du versuchst, all diese Details in deiner Beziehung zu Ala durchzugehen, aber wenn du ihr einen Brief schreibst – was eine großartige Idee ist -, dann solltest du auf das alles gar nicht eingehen. Lass es einfach weg.«
    »Es weglassen?«
    »Ja. Sag ihr einfach, wie du dich fühlst.«
    »Ich fühle mich verarscht. So fühle ich mich. Soll ich ihr das schreiben?«
    »Nein, nein, nein. Sag ihr, wie du dich in Bezug auf sie fühlst.«

    Mein Blick fiel auf ihr Nicknack, das – ausnahmsweise einmal stumm – zwischen uns auf dem Sitz lag. »Bist du sicher, dass du in dieser Angelegenheit nicht mit Tulia telefoniert

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